Mission Erdrettung, Teil 2

Das spektakuläre Projekt Hera hebt ab

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Von Björn Hartmann

04. Okt. 2024 –

In den unendlichen Weiten des Alls lauern einige Gefahren für die Erde: Weltraumwetter, Satellitenmüll, vielleicht Außerirdische. Während letzteres eher Stoff für Bücher oder Filme birgt, ist die Gefahr, dass ein Asteroid auf der Erde einschlägt, Städte zerstört, gar Länder verwüstet, groß. Die Weltraumbehörden der USA, Nasa, und Europas, Esa, wollen das verhindern, die Himmelskörper vorher ablenken. Für die Pläne sind Ingenieurleistung, Wissen und Geld aus Deutschland unabdingbar.

Ende September 2022 hat eine Raumsonde der Nasa in mehreren Millionen Kilometern Entfernung einen Asteroiden aus seiner Bahn geworfen. Das ließ sich von der Erde aus messen. Jetzt schickt die Esa eine Sonde hinterher, um sehen, wie erfolgreich die Amerikaner waren und was sich verändert hat. Hera, wie die Mission genannt wird, soll am Montag, 7. Oktober, kurz vor 17 Uhr unserer Zeit mit einer Falcon9-Rakete des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida abheben. Ein einzigartiges Projekt. Beteiligt sind 18 Staaten und die japanische Weltraumagentur Jaxa.

Der Bremer Satellitenspezialist OHB hat Hera als Generalunternehmer in nur vier Jahren entwickelt und gebaut. Für die Raumfahrt sei das äußerst schnell, sagt Rolf Densing, Esa-Leiter für den Missionsbetrieb und damit verantwortlich für jegliche Satelliten und Sonden. Man habe Hera nach New-Space-Konzept umgesetzt, sagt Sabine von der Recke vom OHB-Vorstand. Das lässt sich in etwa als mehr Privatwirtschaft, weniger Verwaltung übersetzen. Auch das ist etwas Neues bei der Esa.

Die Sonde besteht aus einem Würfel mit zwei Meter Kantenlänge und zwei mehr als viereinhalb Meter langen Solargeneratoren. Sie wiegt voll beladen 1081 Kilogramm, deutlich weniger etwa als ein VW-Golf. Wichtige Technik stammt aus Deutschland. So funkt Hera über eine neuartige Antenne des Münchener Unternehmens HPS Daten zur Erde. Zwei Kameras von Jena-Optronik sollen Bilder liefern. Insgesamt waren bei OHB 100 Mitarbeiter nur mit Hera betraut, beteiligt sind Firmen aus Belgien, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien und Tschechien. Einschließlich Start kostet die Mission 363 Millionen Euro, davon stammt mehr als ein Drittel aus Deutschland.

Hat Hera erst einmal abgehoben, holt die Sonde im März 2025 am Mars noch einmal Schwung für den weiteren Flug. Anfang Dezember 2026 soll sie beim Doppelasteroiden Didymos/Dimorphos ankommen. Dann ist der Doppelasteroid etwa 195 Millionen Kilometer von der Erde entfernt sein. Didymos hat einen Durchmesser von etwa 780 Metern, Dimorphos kommt auf 150 Meter. Der kleinere Asteroid umkreist den größeren. Die Nasa hatte den kleineren mit ihrer Dart-Sonde gerammt und in eine andere Bahn gelenkt.

Hera setzt vor Ort dann zwei Minisatelliten in der Größe von Schuhkartons aus, Juventas, an dem die TU Dresden beteiligt ist, und Milani. Beide werden den Asteroiden intensiv untersuchen. Zum Schluss werden sie auf Dimorphos landen. Hera selbst wird, so der Plan, die Mission auf Didymos beenden. Die Esa-Wissenschaftler versprechen sich Erkenntnisse über die Struktur der Asteroiden. Je nachdem ob sie fest sind oder nur durch Gravitation zusammengehalten werden, müsste die Abwehr unterschiedlich aussehen, bestünde die Gefahr, dass ein Asteroid auf die Erde stürze.

Himmelskörper unter 50 Metern Durchmesser verglühten in Regel in der Erdatmosphäre, sagt Richard Moissl, Leiter des Leiter des Planetenverteidigungsbüros der Esa, zwischen 50 und 100 Metern Größe seien größere Gebiete gefährdet, zwischen 100 und 150 Metern sogar ganze Staaten. Nicht so sehr wegen des Einschlags als vielmehr wegen der Druck- und Hitzewelle. Für die nächsten 100 Jahre bedroht aber kein Himmelskörper die Erde. Zahlreiche Krater zeugen jedoch davon, dass Asteroiden in der Vergangenheit niedergingen. Der berühmteste Einschlagsort in Deutschland ist das Nördlinger Ries in Bayern.

Welche Folgen ein Einschlag auf der Erde hat, zeigt der Asteroid, der im Februar in der Nähe des russischen Tscheljabinsk abstürzte. Er hatte etwa 20 Meter Durchmesser und verdampfte, die Reste explodierten in rund 30 Kilometern Höhe. Die Druckwelle zerstörte Scheiben in der russischen Millionenstadt. 1500 Menschen wurden verletzt. Um die Erde wirksam zu schützen, startete deshalb 2019 das Programm zur Weltraumsicherheit. Ziel: Asteroiden schon im All abzulenken, damit sie nicht auf die Erde stürzen.

Bremsen kann das Projekt Hera jetzt noch schlechtes Wetter – in den USA ist Hurricane-Saison. Und SpaceX hat gerade Starts mit der Falcon9 wegen technischer Schwierigkeiten ausgesetzt. Die Esa ist aber zuversichtlich, dass Hera am Montag abhebt. Zurzeit wird noch verhandelt. Sollte der Start verschoben werden, ist bis 27. Oktober Zeit.

Das Folgeprojekt hat die Esa bereits geplant. Denn am 13. April 2029 passiert der Asteroid Apophis die Erde. Er hat etwa die Größe eines Kreuzfahrtschiffs und fliegt in 31.750 Kilometern Höhe noch unterhalb der Satelliten vorbei, die an einem festen Punkt über der Erde stehen. Europäer werden ihn mit bloßem Auge sehen können. Für Esa-Missionschef Densing ist Apophis eine einzigartige Chance, hinzufliegen und mehr über Asteroiden zu erfahren.

Ramses heißt die Mission, wieder ist OHB Generalunternehmer. Die Esa-Ministerkonferenz, in der alle beteiligten Länder über Projekte und deren Finanzierung befinden, muss noch zustimmen. Sie tagt im Herbst 2025. Dann die Sonde zu bauen, wird noch sportlicher, als es Hera war. Denn Ramses muss im April 2028 starten, um Apophis rechtzeitig zu erreichen.

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