Mit dem Rücken zur Wand

Die drei Herausforderungen der Finanzpolitik: Die Staatsschulden erreichen die Schmerzgrenze. Höhere Einnahmen sind wichtiger als Sparen. Das Wirtschaftswachstum wird uns nicht mehr retten

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Von Hannes Koch

03. Jun. 2010 –

Ein harter Mann. Werner Gatzer weist extra auf das Foto hin, das an seiner Bürotür im Bundesfinanzministerium hängt. Da sieht man den Finanzstaatssekretär in gepolstertem Trikot und Helm als Eishockey-Torwart. Der 51jährige spielt zwar nicht aktiv, aber das Bild von der Saisoneröffnung beim Club „Realstars“ in Gatzers Heimatstadt Bergisch.Gladbach macht sich trotzdem gut als Zeichen.


Sind die Zeiten so hart wie der Schuss eines Stürmers beim Eishockey? Man kann sagen, dass Gatzer und seine Kollegen in professioneller Hinsicht mit dem Rücken zur Wand stehen. Sie sind verantwortlich für den Bundeshaushalt, für Ausgaben, Einnahmen und Schulden. Diese Aufgabe ist jetzt besonders spannend. Denn erstmals in der jüngeren Geschichte scheinen Staatsbankrotte in Europa wieder möglich zu sein.


Diese Drohung betrifft auch die deutsche Politik. Zwar schwebt Deutschland angesichts seiner ökonomischen Stärke anders als Griechenland nicht in der aktuellen Gefahr der Zahlungsunfähigkeit. Bedingt durch die Finanzkrise wird es aber auch hierzulande ällmählich enger. Ab einer Staatsverschuldung von 90 Prozent der Wirtschaftsleistung sehen die US-Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff die Handlungsfähigkeit des Staates grundsätzlich bedroht - wegen zu hoher Zinszahlungen. Deutschland strebt mit großen Schritten auf die 80 Prozent zu. Aktuell – Stand 3. Juli nachmittags – ist der deutsche Staat mit rund 1.700 Milliarden Euro verschuldet.


Also soll jetzt gespart werden. Doch setzt der Begriff „Sparen“ einen falschen Akzent. Denn nicht nur die Ausgaben sind ein Problem, sondern auch die Einnahmen. Durch diverse Senkungen der Steuern und Sozialabgaben haben die Regierungen in den vergangenen zehn Jahren auf Milliarden verzichtet, die sie nun gut gebrauchen könnten. Ein besonders augenfälliges Beispiel ist die Einkommenssteuer. Die Belastung der wohlhabendsten Bürger sank von einst 53 Prozent auf heute 45 Prozent.


Vor diesem Hintergrund sagt SPD-Mann Gatzer: „Die soziale Symmetrie der Konsolidierungsmaßnahmen muss gewahrt werden.“ Das sieht auch der grüne Haushaltspolitiker Alexander Bonde so. „Wir brauchen zusätzliche Einnahmen und Spielräume, um unser Wohlstandsniveau zu halten.“ Nur die Ausgaben zu kürzen, reiche keinesfalls aus, so Bonde. Und selbst auf der Ebene der Unionsminister im Kabinett weist man solche Überlegungen nicht zurück. „Der Spitzensteuersatz ist nicht besonders hoch“, heißt es dort. Über die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung, also zunehmende Beiträge für Wohlhabende, könne man ebenfalls reden.

 

 

Diese Überlegungen spielen auch eine Rolle, wenn die Regierung und Koalition über den Abbau von Steuersubventionen sprechen. Denn geringere Erleichterungen bedeuten, anders betrachtet, mehr Steuern für bestimmte Gruppen, unter anderem Bezieher höherer Einkommen und Unternehmen. „Im Hinblick auf die in großem Umfang bestehenden Steuersubventionen im Energiebereich halte ich eine Überprüfung grundsätzlich für angezeigt“, sagt dazu Werner Gatzer. Auf rund sechs Milliarden Euro jährlich belaufen sich alleine die Ausnahmen der Ökosteuer, von denen die Industrie profitiert.


Erschwert wird die anstehende Sanierung des Haushalts allerdings durch eine grundsätzliche Entwicklung. Im Gegensatz zu früher reichen die mageren Raten des Wirtschaftswachstums heutzutage immer seltener aus, um alle Ansprüche gleichzeitig zu bedienen. Die Regierung wird großen Gruppen der Bevölkerung Opfer abverlangen – und entsprechende Konflikte auslösen.

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