• Sabine Klinger ist Leiterin des Forschungsbereichs
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„Mobilität bietet Chancen“

Es herrschen harte Zeiten am Arbeitsmarkt. Ob sich die Jobsuche da überhaupt noch lohnt und wo es Chancen gibt, weiß Sabine Klinger. Die 33-Jährige ist Leiterin des Forschungsbereichs Prognosen und Strukturanalysen beim Institut für Arbeitsmarkt- und Beru

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18. Dez. 2009 –

Mandy Kunstmann: Es gibt immer mehr Entlassungen. Lohnt sich die Suche nach einem neuen Job derzeit überhaupt?

 

Sabine Klinger: Das ist eine Entscheidung, die Arbeitnehmer alleine von sich aus treffen. In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass die Menschen ihre Chancen einen neuen Arbeitsplatz zu finden, geringer einschätzen, wenn die Konjunktur schwach ist. Sie sind auf Sicherheit bedacht. Und 2010 werden wir gewiss keine Boomphase haben, in der der Arbeitsmarkt sehr dynamisch sein wird weil viele Beschäftigte ihren Job wechseln. Suchen lohnt sich aber immer, wenn man zum Beispiel mit dem Gehalt oder den Arbeitsbedingungen nicht zufrieden ist.

 

Frage: Müssen Neueinsteiger mit niedrigeren Löhnen rechnen?

 

Klinger: In der Regel müssen Neueinsteiger generell mit einem niedrigeren Gehalt rechnen als Kollegen, die schon länger im Job sind. Ich glaube nicht, dass es 2010 bei den Einstiegsgehältern zu wesentlichen Einbrüchen kommen wird. 

 

Frage: Zu welchen Berufen würden Sie raten, wenn jemand ganz den Arbeitsplatz wechseln

möchte?

 

Klinger: Ende 2008 haben wir die Betriebe gebeten einmal eine Einschätzung abzugeben, in welchen Berufen sie in den nächsten Jahren einen Zuwachs erwarten. Heraus kamen Büroberufe, soziale sowie kaufmännische Berufe, weiterhin Ingenieure, Techniker und Informatiker. Das spiegelt den Strukturwandel in Deutschland wider: weg von der Produktion hin zur Dienstleistung.

 

Kunstmann: Die großen Entlassungswellen werden in Baden-Württemberg und Bayern erwartet. Sollten sich die Menschen dort jetzt ganz schnell nach einer anderen Region umschauen oder besteht Hoffnung, dass sich der Arbeitsmarkt erholt?

 

Klinger: Der Arbeitsmarkt in Bayern und Baden-Württemberg wird sich sicher wieder erholen – keiner kann aber genau sagen, wann es bei den Neueinstellungen wieder richtig aufwärts gehen wird. Generell muss man aber auch feststellen: Einmal arbeitslos geworden, können sich die  Deutschen recht schwer vorstellen, die Region zu wechseln. Das ist für sie mit hohen Kosten verbunden. Ein Umzug bedeutet nicht nur finanzielle Kosten, sondern auch den Verlust des sozialen Umfelds. In anderen Ländern sind die Menschen bei der Arbeitsplatzsuche mobiler. Mobilität bietet Chancen.

 

Kunstmann: Und in welchen Regionen wird es im nächsten Jahr mehr Chancen auf Arbeit geben?

 

Klinger: Gute Chancen wird es pauschal nirgendwo geben. Es zeichnet sich ein sehr differenziertes Bild: In den Exportbranchen herrscht Unterauslastung. Im Dienstleistungsbereich ist es bisher gut gelaufen. Doch es dürfte auch hier zu einer verzögerten Verschlechterung kommen. In den dienstleistungsstarken Ländern Berlin und Hamburg wirkt sich die Krise bisher relativ wenig auf den Arbeitsmarkt aus. Die industrienahen Regionen im Süden haben es da schwerer. Gleichzeitig muss man aber auch sehen: Bayern und Baden-Württemberg haben nach wie vor die niedrigsten Arbeitslosenquoten.  

 

Kunstmann: Wer wird es leichter haben, Arbeit zu finden: Frauen oder Männer?

 

Klinger: Bisher waren Industrieberufe und Vollzeitjobs besonders von der Krise betroffen, also von Männern dominierte Bereiche. Die Dienstleistungen waren deutlich weniger von der Krise gebeutelt. Hier arbeiten vor allem Frauen. Für sie war es 2009 daher leichter Jobs zu finden. 2010 wird sich die Industrie etwas erholen, weil die Exporte anziehen. Dafür wird der Dienstleistungssektor stärker in Mitleidenschaft gezogen. Die Bereiche werden sich also annähern. Für Männer könnte es dennoch schwerer bleiben als für Frauen.

 

Kunstmann: Und wie sieht es bei den Jungen und Alten aus?

 

Klinger: Die Jungen hatten es 2009 vergleichsweise schwer. Sie waren von den Einstellungsstopps betroffen, die viele Betriebe wegen der Krise verhängten. Zwar haben die Betriebe Personal gehalten, aber eher die älteren qualifizierten Mitarbeiter mit langjähriger Erfahrung. Ich befürchte, das wird sich im nächsten Jahr fortsetzen. 

 

Kunstmann: Die Metall- und Elektrobetriebe im Ruhrgebiet wollen sich untereinander Mitarbeiter ausleihen. Wer zu wenig Arbeit hat, bietet Mitarbeiter einem anderen Unternehmen an, das viel Arbeit hat. Ist das eine Zukunftsträchtige Idee?

 

Klinger: Das ist Ausdruck dafür, dass die Betriebe befürchten, sie könnten Mitarbeiter entlassen und plötzlich springt die Wirtschaft wieder an. Dann wäre es schwierig, schnell geeignetes Personal zu finden und einzustellen. Das Modell ist sicher eine gute Chance, die Beschäftigung in dieser Schwächephase zu sichern. Gleichzeitig sinken aber die Chancen für Neueinsteiger und der Arbeitsmarkt wird starrer. Sobald wieder Wachstum einsetzt, wird das Modell nicht mehr relevant sein. Expandierende Unternehmen werden neue Mitarbeiter einstellen. 

 

Kunstmann: Was ist bei der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt bei der Lohnentwicklung zu erwarten?

 

Klinger: 2009 haben die Tarifabschlüsse zwischen zwei und vier Prozent gelegen. Das ist angesichts des Einbruchs bei der Wirtschaft gar nicht so schlecht. Dank der Zugeständnisse der Arbeitnehmer – sie haben ja häufig Abstriche beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld hingenommen und die mit der Kurzarbeit verbundenen Einkommensverluste tragen müssen – konnten aber auch die Kosten in vielen Unternehmen verringert werden. 2010 wird es wohl weitere Zugeständnisse seitens der Arbeitnehmer geben, weil der Arbeitsmarkt sich schwach entwickelt. Angesichts der konjunkturellen Schwächephase liegt das aber im Rahmen. 

 

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