Mühsamer Ausstieg aus dem Geschäft mit dem Hunger

Verbände beklagen weiter preistreibende Investments in Agrarrohstoffe durch deutsche Geldhäuser

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Von Wolfgang Mulke

10. Aug. 2012 –

Investmentfirmen treiben die Preise für Agrarrohstoffe zu Lasten armer Bevölkerungsschichten in den Entwicklungsländern noch immer spekulativ in die Höhe. „Die Nahrungsmittelpreise haben fast das Niveau von 2008 erreicht“, beklagt Marita Wiggerthale von der Organisation Oxfam. Damals kletterten die Kosten für Weizen, Mais und andere Erzeugnisse auf Rekordstände. Ein wesentlicher Grund für die Teuerung auf den Weltmärkten sei im milliardenschweren Einsatz von Anlegerngeldern in Finanzinstrumente, die mit landwirtschaftlichen Produkten zusammenhängen.


“44 Millionen Menschen in armen Ländern wurden zusätzlich in den Hunger getrieben, weil sie sich ihr Essen nicht mehr leisten konnten“, schlägt Oxfam nun Alarm. Die Verbraucher in Deutschland merken wenig vom Auf und Ab der Preise an den Weltmärkten. Für Lebensmittel geben sie lediglich zehn Prozent ihre Budgets aus. In manchen Ländern müssen Familien jedoch 80 Prozent ihres Einkommens für Brot, Reis, Obst und Gemüse ausgeben. Wird die Nahrung sprunghaft teurer, reicht das Geld oft nicht mehr, um satt zu werden.


Einer Oxfam-Studie zufolge hatten Anleger im vergangenen Jahr fast 70 Milliarden Euro in Fonds, Futures oder Zertifikate gesteckt, die auf Agrarrohstoffen basieren. Deutsche Unternehmen mischen dabei kräftig mit. 11,4 Milliarden Euro haben sie in den Landwirtschaftsmärkten angelegt.„Die Allianz und die Deutsche Bank sind mit Abstand die größten deutschen Akteure im Rohstoffbereich“, stellen die Kritiker fest. Allein der Versicherungskonzern war 2011 danach mit 6,2 Milliarden Euro dabei.


Die Münchner halten dies für unproblematisch. Die Allianz investiere ausschließlich in Futures auf Agrarrohstoffe, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Bei diesen Finanzinstrumenten sucht sich ein Anleger, der auf steigende Preise setzt einen Gegenspieler, der von fallenden Notierungen ausgeht. Durch dieses Patt dürfte eigentlich keine Wirkung auf das Preisniveau an den Terminbörsen ausgehen. Im Vergleich zum gesamten Anlagevermögen der Allianz ist der Anteil der Agrarrohstoffe mit weniger als zwei Prozent gering.Die Kunden der Allianz sind, wenn sie derlei Geschäfte ablehnen, auf der sicherer Seite. „Wir investieren keine Versichertengelder in Agrarrohstoffen“, versichert der Sprecher.


Schon seit Monaten prangert die Verbraucherorganisation Foodwatch das spekulative Geschäft mit dem Hunger an. Einige Finanzhäuser haben auf die Kritik inzwischen reagiert. In dieser Woche bestätigte die Commerzbank Foodwatch gegenüber den Rückzug aus dem Geschäft. Die Landesbank Baden-Württemberg und die Fondsgesellschaft der Sparkassen haben dies bereits getan. Nur bei der Deutschen Bank fruchtet die Kritik laut Foodwatch nicht. Zwar wurde vor Monaten eine Prüfung des Vorwurfes für Hunger in der Welt zu sorgen angekündigt und erst einmal keine neuen Engagements einzugehen. Doch derzeit äußert sich die Bank dazu nicht weiter.


Die Politiker sucht derweil nach Regulierungsmöglichkeiten. Die EU hat international einen Vorschlag eingebracht. Vor allem Transparenz auf den Agrarmärkten soll die Lage beruhigen. Derzeit weiß niemand, welche Nahrungsmittel in welchem Umfang erzeugt werden. Damit ist der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Diese Daten sollen nach dem Willen der Europäer erhoben werden. Die Kritiker gehen weiter. Sie fordern ein Verbot von Termingeschäften für alle Investoren, die nicht aus der Landwirtschaft kommen.



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