• Produktion bei Dulal, Bangladesch |Foto: Koch
    Produktion bei Dulal, Bangladesch |Foto: Koch

Müllers Mission

Bessere Arbeitsbedingungen in den globalen Textilfabriken will Entwicklungsminister Müller durchsetzen. Ein Jahr nach der Gründung seines Textilbündnisses sucht er in Bangladesch nach Fortschritten

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Von Hannes Koch

12. Okt. 2015 –

Die Beschäftigten dieser Textilfabrik in Bangladesch haben es deutlich besser als in anderen Firmen. Hier bei Dulal Brothers am nördlichen Rand der Hauptstadt Dhaka hängen keine lauten Ventilatoren an den Decken. Die Klimaanlagen sind stattdessen in den Fenstern angebracht. Und auch die mehreren hundert Nähmaschinen in der Halle rattern nicht so ohrenbetäubend wie in anderen Fabriken.

 

Ihren Beschäftigten bietet die Firma zwischen Reisfeldern und Bananenwäldchen noch weitere Vorteile. Es gibt einen Laden, in dem die Arbeitskräfte Lebensmittel verbilligt einkaufen können. Eine Medizinstation gewährleistet zudem kostenlose ärztliche Versorgung.

 

So fällt es Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nicht schwer, die vier Eigentümer der Firma zu loben. Als „Leuchtturm für eine faire Globalisierung“ bezeichnet Müller das Unternehmen. Offenbar zu Recht: 15.000 Taka, etwa 170 Euro, könne eine durchschnittliche Näherin hier im Monat verdienen, erklärt ein Manager. Was für europäische Verhältnisse ein lächerlicher Lohn wäre, ist in Bangladesch ein Hauptgewinn – die Beschäftigten erhalten das Dreifache des Mindestlohns, den die Regierung als Untergrenze definiert.

 

Müller ist in dieser Woche in das asiatische Land gereist, um ein Zeichen zu setzen. Vor zweieinhalb Jahren brach nicht weit entfernt von Dulal Brothers das Gebäude Rana Plaza zusammen, in dem Textilfabriken auch für deutsche Geschäfte T-Shirts, Hemden und Jeans herstellten. Über 1.100 Menschen starben damals, viele wurden schwer verletzt. Damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt, hat Müller ein Textilbündnis in's Leben gerufen, an dem auch die wichtigsten deutschen Händler teilnehmen, die unter anderem Fabriken in Bangladesch beauftragen. Am 16. Oktober ist der erste Jahrestag der Gründung. Der Entwicklungsminister will deshalb nun zeigen, dass man die sozialen und ökologischen Bedingungen in den weltweiten Textilfabriken tatsächlich verbessern kann.

 

Dulal Brothers war die erste Firma in Bangladesch, die dem Bündnis beigetreten ist. Ein Erfolg für Müller – ebenso wie der Beitritt von Konzernen wie H&M, Otto, C&A, sowie der großen Firmenverbände. Mit ihren Unterschriften haben sich alle verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Gebäude der Zulieferfabriken stabil gebaut sind, es Notausgänge und Feuerlöscher gibt, die Näherinnen nicht mehr als 60 Stunden pro Woche arbeiten müssen und existenzsichernde Löhne gezahlt werden. Der Nachteil der Veranstaltung: Es gibt keinen Zeitplan. Diesen haben die Unternehmen verhindert - als Bedingung für ihr Mittun. Wann die gemeinsamen Ziele also umgesetzt werden, steht in den Sternen. Und bisher ist im Bündnis nichts passiert außer bürokratischen Vorarbeiten für die eigentliche Tätigkeit.

 

Firmenvertreter weisen eine solche Kritik freilich zurück. „Es ist ein großer Erfolg, dass über 100 Unternehmen dem Bündnis beigetreten sind“, sagt etwa Johannes Merck von der Otto Gruppe in Hamburg. Uwe Mazura, der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, fügt hinzu: „Ich bin sicher, dass wir in einigen Jahren wesentliche Verbesserungen erreichen können und auch werden.“

 

Während der Reise in Bangladesch ist jedoch zu merken, dass Entwicklungsminister Müller mit diesen allgemeinen Aussagen nicht ganz zufrieden ist. Er möchte mehr erreichen. Im Ausstellungsraum von Dulal Brothers betont er, dass akzeptable Arbeitsverhältnisse in der Produktion nicht möglich seien, wenn die Auftraggeber „nur einen Euro pro T-Shirt“ zahlten. Bei solchen Sätzen wirkt der Minister fast zornig. Billig-Textilien betrachtet er als Angriff auf die Menschenwürde. Er ärgert sich darüber, dass Konzerne mit Milliarden-Umsätzen ihre soziale Verantwortung missachten – und denkt darüber nach, wie die Politik sie mit Regeln wieder auf den Pfad der Tugend führen kann. Früher hat er auch mal mit einem Gesetz gedroht, gegenwärtig allerdings belässt er es bei Appellen, dass die Konzerne ihren Preisdruck auf die Zulieferer stoppen sollten. Die Einkäufer der deutschen Firmen, die Müller am Abend in Bangladesch trifft, hören so etwas aber überhaupt nicht gerne. Sie weichen aus, und Zusagen machen sie Müller schon gar nicht.

 

Es ist ein dickes Brett, das der CSU-Politiker sich zu bohren vorgenommen hat. Im Frauen-Café nahe der Dulal-Textilfabrik ist es da schon leichter, Fortschritte zu demonstrieren. Als Müller und seine Begleiter eintreten, ist fröhliches Lachen zu hören. Auf Matten sitzend spielen fünf Frauen ein Brettspiel mit pädagogischem Nebeneffekt. Es geht darum, Fragen zum Arbeitsrecht richtig zu beantworten, damit die Näherinnen für Auseinandersetzungen mit ihren Vorgesetzten besser gewappnet sind. Jede richtige Antwort belohnen die Spielenden nun mit lautem Beifall. 19 solcher Frauen-Cafés haben Müllers Ministerium und die ihm unterstellte Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Bangladesch mitfinanziert – für die Arbeiterinnen und Arbeiter eine Hilfe, das durchzusetzen, was ihnen die Unternehmen nicht freiwillig zugestehen.

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