Mülltonne mit Mehrwert kommt

Die Gelbe Tonne soll von der Wertstofftonne abgelöst werden. Diese schluckt dann mehr Abfall.

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Von Hannes Koch

29. Nov. 2013 –

Regel Nummer 1: Den ausgelöffelten Joghurtbecher nicht spülen, sondern ab damit in die Gelbe Tonne. Direkt! Regel Nummer 2: Vorher den Deckel vom Becher abmachen. Er kommt auch in die gelbe Tonne. Nur separat. Regel Nummer 3: Eine Serviette gehört in die graue Tonne, nicht ins Altpapier. Das gilt selbst, wenn sie nicht gebraucht ist!

Das ist nur der Anfang, die Sache mit dem Müll in Deutschland ist vertrackt. Im Hinterhof stehen graue, blaue, grüne, gelbe, vielleicht auch braune Tonnen, in denen oft landet, was nicht reingehört. Bundesweit wird es nun eine neue Tonne geben - die Wertstofftonne, die in Leipzig und anderen Städten schon erprobt und etabliert wurde. Das versprechen Schwarz-Rot in ihrem Koalitionsvertrag. Im Kapitel Umwelt, Seite 119, steht: „Wir schaffen rechtliche Grundlage zur Einführung der gemeinsamen haushaltsnahen Wertstofferfassung für Verpackungen und andere Wertstoffe.“

Die Wertstofftonne soll die Gelbe Tonne ersetzen, in die die Bürger bisher nur Verpackungen, also Zahnpastatuben, Gummibärchentüten, Konservendosen stopfen sollten. In die neue Tonne wandern bald auch die Rührschüssel, das Plastikbesteck oder die Klarsichthülle. Für Töpfe und Pfannen, für Metalle aller Art ist sie ebenfalls da. So könnten sieben Kilo Wertstoffe pro Einwohner und Jahr zusätzlich zusammenkommen.

Die Tonne verspricht gute Geschäfte. Die Wirtschaft entdeckt den Abfall neu – als Rohstoff. Schon heute trennen Firmen wie Alba in Berlin aus der Gelben Tonne 13 Wertstoffe. In den Recyclinganlagen ziehen Magnete Weißblech, saugen Luftdüsen Folien heraus und Infrarotlampen erkennen verschiedene Kunststoffarten, die auf getrennten Förderbändern landen. Von Hand wird da nur noch ein wenig nachsortiert. Die Industrie macht aus den Kunststoffen Stühle für Stadien, Jacken zum Wandern oder auch die Gelben Säcke.

Doch nicht nur die Wirtschaft findet am Müll Gefallen. Städte und Gemeinden erkennen ihre Chance, eine neue Einnahmequelle zu erschließen. Darum haben Kommunen und private Entsorger lange darum gekämpft, wer die Hoheit über die neue Tonne bekommt.

Schließlich gilt bisher: Die gelbe Tonne, genauer: die Verpackungen, gehören den Dualen Systemen in Deutschland. Deren Entsorgung, die jeder Bürger schon an der Kasse im Geschäft mit einen Obulus zahlt, organisiert die Wirtschaft. Die graue Tonne, also der Restmüll, gehört den Kommunen. Dafür schicken sie die Müllautos los und erheben Abfallgebühren.

Aber wie regelt sich das in Zukunft? Die Bürger sollen künftig Plastik, Metall, Aluminium – die Experten sprechen von „stoffgleichen Nichtverpackungen“ - nicht mehr in den Restmüll schmeißen. Der Stoff soll in der neuen Tonne landen, die die gelbe Tonne ersetzt. Gehören die „stoffgleichen Nichtverpackungen“ nun den Kommunen oder den Privaten, die bisher die gelbe Tonne abgefahren haben? Der Streit darum fiel in den letzten Jahren heftig aus.

So scheiterten daran auch alle Versuche ein neues Abfallgesetz zu etablieren. Schon die bisherige schwarz-gelbe Bundesregierung hatte sich vorgenommen, die Wertstofftonne bis 2015 bundesweit vorzuschreiben.

Der „Müllkrieg“, wie viele sagen, fand seinen Höhepunkt vor gut einem Jahr in Berlin. Dort standen sich der private Entsorger Alba und die kommunale BSR gegenüber. Das Kürzel BSR steht für Berliner Stadtreinigungsbetriebe. Alba stellte in den Hinterhöfen irgendwann eine Gelbe Tonne plus auf. Und die BSR konterte mit einer eigenen extra Tonne, die Orange Box. Diese Tonnen-Konkurrenz verwirrte und erboste dann alle. Die Verbraucher auch. Nun könnte die Hauptstadt aber das Modell für die Republik werden.

Der damalige rot-rote Senat war gezwungen, etwas zu tun – und stieg mit den Chefs von BSR und Alba in Verhandlungen ein. Das Ergebnis: Die BSR sammelt nur so viele Wertstofftonnen ein, wie es dem Aufkommen aller Wertstoffe aus Plastik und Metall entspricht, die einst im Restmüll landeten: 12 Prozent. Der große Rest wird von Alba abgeholt, recycelt und verkauft.

Die Quote ist ein Kompromiss. Er wird es der neuen Bundesregierung leichter machen, eine bundesweite Regelung zu finden. Verbraucher dürften sich aber zunächst auf neue Szenen zwischen Privaten und Kommunalen gefasst machen. Was das alles für die Abfallgebühren bedeutet? Dazu will sich keiner äußern. Nur soviel: Teurer werden sollte es nicht, wenn Städte und Gemeinden aus dem Müll mehr Wert holen.

Bleibt noch eine Regel: Plastik hin oder her – der Föhn oder die elektrische Zahnbürste gehören auch künftig auf den Wertstoffhof und nicht in die Wertstofftonne. Die Müllexperten fürchten, dass giftige Stoffe aus der Elektronik den Plastikmüll unbrauchbar machen könnten. Das deutsche Sortiersystem bleibt ausgefeilt.

 

Kasten:

Alles für die Tonne

Jeder Bundesbürger sorgt im Jahr für 463 Kilo Müll.

69,1 Prozentllen Mülls hierzulande recycelt, 17,5 Prozent deponiert und 13,4 Prozent verbrannt.

Am wenigsten Müll produzieren die Sachsen (336 Kilo), am meisten die Rheinland-Pfälzer (519 Kilo)

Im Schnitt zahlt jeder Bürger 75 Euro an Müllgebühren.

In Deutschland stehen 3352 Sortier-, Aufbereitungs-, und Recyclinganlagen. 90 Prozent davon gehören privaten Entsorgern.

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