Nach dem Atom- kommt der Kohle-Konsens

Umweltministerin Hendricks deutet das Ende der „Energiegewinnung mit Kohle, Gas und Öl“ an. Regierung bereitet einen Klimaschutzplan bis 2050 vor. Reaktion auf die Konferenz von Paris

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Von Hannes Koch

14. Dez. 2015 –

Als Konsequenz aus der Klimakonferenz von Paris hat Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) einen neuen deutschen Aktionsplan für Klimaschutz angekündigt, der bis zum Jahr 2050 reicht. Das Bundeskabinett werde den Plan „vor der Sommerpause 2016“ beschließen, sagte Hendricks am Montag in Berlin. „Bis Mitte diesen Jahrhunderts“ gebe es hierzulande „keine Energiegewinnung aus Kohle, Gas und Öl“ mehr.

 

In Paris hatten am Wochenende die Vertreter fast aller Staaten der Erde einen bindenden Vertrag beschlossen, um die Erwärmung der Atmosphäre zu begrenzen. Darin enthalten ist die Verpflichtung, den Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) in der zweiten Hälfte diesen Jahrhunderts unter dem Strich auf Null zu senken. Hendricks versprach, sich für einen „gesteuerten Strukturwandel ohne Strukturbrüche“ in der deutschen Wirtschaft einzusetzen. Dafür seien Gespräche mit allen Betroffenen, beispielsweise Gewerkschaften und Unternehmen nötig.

 

Der kommende Transformationsprozess wird zu enormen Verlagerungen von Kapital und Arbeitsplätzen führen. So plädierte Patrick Graichen, der Chef der Berliner Organisation Agora Energiewende, dafür, „bis 2030 mehr als die Hälfte unserer Kohlekraftwerke abzuschalten“. Bis 2040 müsse die Stromerzeugung aus Kohle fast vollständig“ eingestellt werden. Das heißt: Schon bis dahin könnte der weitaus größte Teil der Arbeitsplätze in der deutschen Braun- und Steinkohle verschwinden – nicht nur im Bergbau, sondern auch in Kraftwerken.

 

Nach einer Übersicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) arbeiten in dieser Branche heute noch etwa 36.000 Menschen. Bei den Erneuerbaren Energien sind es bereits rund 400.000. Derzeit liefern Wind-, Solar- und Biomasse-Kraftwerke etwa 33 Prozent des verbrauchten Stroms in Deutschland. Bis 2035 sollen es bereits bestehenden Plänen der Bundesregierung zufolge 55 bis 60 Prozent sein. Dieser Zuwachs von durchschnittlich einem Prozentpunkt pro Jahr ist technisch und ökonomisch kein Problem.

 

Größere Herausforderungen stellen sich der deutschen Wirtschaft dagegen im Verkehrssektor. Umweltministerin Hendricks kündigte auch ein neues „Mobilitätskonzept“ an. Elektrofahrzeuge sollen die Autos ersetzen, die Erdöl verbrennen. Das Regierungsprogramm für Elektromobilität (2011) nennt die Zahl von sechs Millionen E-Fahrzeugen bis 2030. Bislang sind hierzulande jedoch erst wenige tausend Elektroautos unterwegs. Die deutschen Autohersteller haben kaum welche im Angebot, von Ausnahmen wie dem BMW i3, VW Up oder dem Elektro-Smart bei Daimler abgesehen. Wie sich die Zahl der hierzulande verkauften E-Autos stark steigern lässt, ist unklar. Hendricks brachte am Montag „Kaufanreize für Elektromobilität“ ins Gespräch.

 

Die in der Nationalen Plattform Elektromobilität kooperierenden Vertreter von Autoherstellern, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen und Institutionen gehen davon aus, dass die deutschen Autohersteller und ihre Arbeitsplätze den kommenden Strukturwandel überstehen. Allerdings tun sich die hiesigen Hersteller schwer damit, eine Großproduktion für Batterien, einem der Kernprodukte der Elektromobilität, aufzubauen. Unternehmen wie LG, Panasonic, Samsung oder Tesla haben die Nase vorne. Zudem stecken in Elektrofahrzeugen deutlich weniger Teile als in Benzin- und Dieselautos. Fraglich erscheint deshalb, ob die Millionen Arbeitsplätze in hiesigen Auto- und Zulieferfabriken erhalten bleiben.

 

Währenddessen haben drei Dutzend Unternehmen, unter anderem die Commerzbank, EnBW, Metro, Rewe und Unilever die Bundesregierung aufgefordert, die „Maßnahmen des Klimaschutzaktionsprogramms nachzuschärfen, damit die deutschen Energie- und Emissionsziele bis 2020 in allen Sektoren erreicht werden“. Die Firmen fordern „einen ambitionierten Klimaschutzplan 2050“, mehr Maßnahmen für Energieeffizienz bei Gebäuden und eine „Verkehrswende“. Außerdem hätten „führende Unternehmen des deutschen Einzelhandels ihre Unterstützung für das Pariser Klimaschutzabkommen zugesagt“, erklärte der Handelsverband (HDE).

 

Bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl dominierte dagegen die Kritik: „Das Ergebnis des Pariser Klimagipfels ist enttäuschend.“ Die Vertretung der hiesigen Stahlindustrie bemängelte, dass beispielsweise China geringere Auflagen für den Klimaschutz erfüllen müsse als Deutschland. Dies benachteilige die einheimischen Firmen. Umweltministerin Hendricks sagte, der Kohlendioxid-ausstoß der deutschen Stahlindustrie lasse sich nicht auf Null senken. Deswegen könne es an dieser Stelle richtig sein, CO2 unschädlich zu machen, indem man es einfängt und im Boden lagert.

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