Nadelöhr des Welthandels

Warum das Rote Meer so wichtig ist

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Von Björn Hartmann

13. Feb. 2024 –

Mitte Januar sind die Attacken der Huthi-Rebellen auf den Welthandel auch in den sozialen Netzen angekommen. Auf X, vormals Twitter, posiert ein Jüngling mit verstrubbelten dunklen Haaren und Oberlippenbart in rötlicher Jacke am Meer, im Hintergrund ein Frachtschiff. Der Mann soll Rashid al-Haddad verzückt die Internetgemeinde als vermeintlich süßer Pirat. Die Angriffe der Rebellen auf Schiffe im Roten Meer haben da die Weltwirtschaft bereits leicht aus dem Gleichgewicht gebracht. USA und Großbritannien fliegen seither Angriffe auf Standorte der Huthis im Jemen, eine internationale Marinemission soll den Seeweg befrieden – Ausgang bisher ungewiss.

Das Rote Meer – und in seinem Verlauf der Suezkanal – gilt als wichtigste Wasserstraße der Welt. Sie steht für zwölf bis 15 Prozent des gesamten Handels, wie Unctad, die Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen, berichtet. Im Containerhandel sind es demnach sogar 20 Prozent. Unctad warnt vor katastrophalen Dominoeffekten weltweit, sollten wichtige Teile in Industrienationen fehlen. So hat unter anderem Tesla die Autoproduktion in Grünheide bei Berlin unterbrochen.

Gegenwärtig passierten 84 Prozent weniger das Rote Meer und den Suezkanal, als üblicherweise zu erwarten seien, berichtet das Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW. Flüssiggastanker – wichtig für Europas Versorgung – meiden die Strecke danach komplett. Das IfW beobachtet den Schiffsverkehr anhand von Positionsdaten in Echtzeit. Die Schiffe fahren jetzt um die Südspitze Afrikas, weshalb sie gut zwei Wochen länger unterwegs sind. Das zeigt sich auch in den deutschen und europäischen Häfen. In Hamburg und Bremerhaven, in Rotterdam und Antwerpen legten im Januar den IfW-Zahlen zufolge ein Viertel weniger Schiffe an als im Wochendurchschnitt 2023.

Die Huthi-Rebellen kontrollieren weite Teile des westlichen Jemen, darunter die Küste zum Roten Meer. Iran unterstützt die Rebellen. Jetzt haben sich die Huthis in den Konflikt zwischen Hamas und Israel eingemischt. Sie greifen Schiffe im Roten Meer an, die angeblich eine Verbindung zu Israel haben und dort Häfen anlaufen, stören aber den gesamten Schiffsverkehr. Hinter dem Ganzen vermuten Experten den Iran, der auch der Hamas hilft.

„Die Streitkräfte der USA und von Großbritannien konnten bislang offenbar nicht für mehr Sicherheit auf der ehemals meistbefahrenen Handelsroute sorgen“, schließt Julian Hinz, Forschungsdirektor Handelspolitik. Auch Deutschland beteiligt sich an der Sicherung des Roten Meeres. Die Fregatte „Hessen“ ist auf dem Weg dorthin.

Welche Folgen es hat, wenn der Schifffahrtsweg durch Rotes Meer und Suezkanal nicht frei ist, zeigte sich im März 2021. damals stellte sich der Frachter Ever Given im Suezkanal quer und blockierte ihn für mehrere Tage. Im Roten Meer stauten sich die Schiffe, in Europa gingen einige Waren aus, wichtige Vorprodukte wie Computerchips fehlten. Das Ganze traf auf eine Wirtschaft, die sich gerade vom Corona-Tief erholte und nach Waren verlangte. Es dauerte Wochen, bis der Stau abgearbeitet war.

Das Rote Meer und der davorliegende Golf von Aden sind für Schiffe ohnehin gefährlich. Immer wieder haben Piraten mit schnellen Booten von Somalia aus Schiffe angegriffen und Lösegeld erpresst. Seit 2008 versucht die Operation Atalanta, eine Marinemission der EU unter deutscher Beteiligung, die Region zu sichern. Mit dabei sind auch Neuseeland, Norwegen, Serbien und Großbritannien. Schon wegen der Piraten fahren manche Reedereien lieber längere Wege.

Alternativen zum Roten Meer gibt es. Auf dieser Route um das Kap der guten Hoffnung müssen bisher bereits all jene Schiffe fahren, die nicht durch den Suezkanal passen. Die Strecke ist rund 6000 Kilometer länger. Das kostet mehr Sprit und Zeit, die Schiffe stehen nicht so schnell wieder zur Verfügung. Letztlich wird alles teurer.

Möglich wäre es auch, Schiffe zwischen Asien und Europa um Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas zu schicken. Die Strecke ist aber noch länger als die um Südafrika, führt durch sehr einsame Gebiete und wäre insgesamt noch teurer.

Ein anderer Weg zwischen China, Japan, Südkorea und Europa wäre eine Route durchs Nordmeer zwischen Russland und dem Nordpol. Die Nordostpassage ist wegen der Erderwärmung zumindest zeitweise im Jahr eisfrei und sogar kürzer als die Strecke durchs Rote Meer. 2009 schickte die Bremer Reederei Beluga zwei eistaugliche Schiffe über die Route. Durchgesetzt hat sie sich bisher nicht.

Anders als Unctad ist IfW-Experte Hinz nicht ganz so in Sorge für den Welthandel. „Die gegenwärtige Situation sieht dramatischer aus, als sie gesamtwirtschaftlich ist. Wir sehen momentan, dass Containerschiffe deutlich länger unterwegs sind, als ursprünglich geplant, so dass in vielen Häfen Europas eine Lücke entstanden ist“, sagt er. „Die dürfte sich aber wieder auf ein Normalmaß schließen, sobald der längere Fahrweg logistisch eingeplant ist.“

Die Menge weltweit verschickter Waren ist nach Angaben des IfW im Januar sogar gestiegen. Die Zahl verschiffter Standardcontainer lag bei mehr als 14 Millionen Stück, erreichte fast den Rekordwert von vor zwei Jahren. das zeige, dass der Welthandel in keiner Krise stecke, sondern stabil geblieben sei, schließt Hinz deshalb. „Zwar können einzelne Firmen unter Lieferverzögerungen leiden, insgesamt sind aber keine Engpässe bei Vorprodukten oder Konsumgütern zu erwarten.“

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