Neue iPhones, alte Missstände

Kritiker werfen Apple vor, Versprechen für bessere Arbeitsbedingungen nicht einzuhalten

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Von Hannes Koch

11. Sep. 2013 –

Muntere Farben, etwas günstigerer Preis – so kommt das neue iPhone 5c von Apple daher. Sein teueres Schwestermodell 5s in Gold macht einen seriösen Eindruck. Eine große Show war die Vorstellung der neuen Produkte, die der Konzern aus Kalifornien am Mittwoch in China wiederholte. Über die Arbeitsbedingungen in den Zulieferfabriken zu sprechen, vermieden die Manager jedoch. Schließlich deutet einiges daraufhin, dass Apple seine Versprechen zur Verbesserung der Zustände in den Fabriken immer noch an wichtigen Punkten bricht.

 

Während der Konzern selbst keine Angaben dazu macht, sagt die Arbeitsrechtsorganisation China Labor Watch (CLW), die neuen iPhones würden unter anderem beim Zulieferer Pegatron in Shanghai gefertigt. Gegenüber dieser Firma erhebt CLW schwere Vorwürfe.

 

So erklärt die Organisation aus New York, dass Praktikanten und Studenten, die in den Semesterferien bei Pegatron arbeiten, ohne ersichtlichen Grund Teile des Lohns abgezogen würden. Indem eine von acht Wochen Arbeit nicht bezahlt werde, wolle das Unternehmen Geld sparen. CLW schickt regelmäßig verdeckte Rechercheure in die Fabriken, die mit den Beschäftigten sprechen.

 

Kürzlich hat CLW zudem einen größeren Bericht über Pegatron veröffentlicht. Demnach müssen die Beschäftigten dort bis zu 69 Stunden pro Woche arbeiten. Das chinesische Arbeitsgesetz erlaubt dagegen nur maximal 49 Stunden. Der Lohn in der Größenordnung von bis zu 400 Euro monatlich reiche in einer Stadt wie Shanghai kaum, um die Grundbedürfnisse zu decken, argumentiert CLW-Chef Li Qiang. Die Stundenlohn liege umgerechnet zwischen einem Euro und 1,50 Euro. Hinzu kämen weitere Missstände wie das herabwürdigende Verhalten von Vorarbeitern und schlechte medizinische Versorgung.

 

Apple hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Prüfer hätten die entsprechenden Fabriken mehrmals besucht, ihnen seien keine Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz aufgefallen, heißt es in einer Erklärung des Unternehmens. Trotzdem will Apple die Anschuldigungen nochmals untersuchen. Dieser Bericht steht bislang aus.

 

In Bezug auf den bisherigen Hauptzulieferer Foxconn hatte Apple versprochen, die Arbeitsbedingungen in den chinesischen Fabriken bis zum Juli diesen Jahres entscheidend zu verbessern. Um das zu schaffen, beauftragte man die Fair Labor Organization aus den USA, einen Plan zu entwickeln. Trotz Forschritten erklärte aber auch die FLA in ihrem letzten Bericht vom Mai, dass die zulässige Arbeitszeit bei Foxconn teilweise deutlich überschritten werde. Seitdem wollen sich weder Apple noch die FLA zu diesem Punkt äußern.

 

Die Hauptverantwortung für die schlechten Arbeitsbedingungen liegt bei Apple selbst. Der Konzern drückt Preise und Kosten der Zulieferer. Deren Gewinnmarge ist dünn. Apple selbst dagegen erwirtschaftet Gewinne in der Größenordnung 20 Prozent im Verhältnis zum Umsatz. Bei einzelnen Produkten wie den iPhones liegen sie nach Einschätzung von Kritikern wesentlich höher.

 

Nur etwa drei Prozent des Verkaufspreises eines iPhones kommt bei den Arbeitern als Lohnzahlung an – beispielsweise 15 von 500 Euro, für die ein Smartphone in Deutschland verkauft wird. Angesichts seiner hohen Gewinne und eines Polsters liquider Mittel in der Größenordnung von 150 Milliarden Dollar (etwa 120 Milliarden Euro) könnte Apple die Löhne in der Zulieferkette mühelos erhöhen und die Arbeitsbedingungen verbessern, ohne Schaden zu nehmen.

 

Wie sieht es bei den Konkurrenten von Apple aus? „Nach unserer Erfahrung sind die Arbeitsbedingungen in den großen Elektronikfabriken Chinas ähnlich“, sagt Geoffrey Crothall vom Informationsdienst China Labor Bulletin in Hongkong. Einer der Gründe: Außer Apple lassen auch andere Markenunternehmen wie Nokia, Sony und HP bei Foxconn fertigen.

 

Smartphone-Marktführer Samsung betreibt zwar auch eigene Fabriken. Doch der südkoreanische Konzern scheint sich ebenfalls am Niveau der Konkurrenz zu orientieren. In einem Bericht über Samsung vom November 2012 haben die Kritiker von China Labor Watch in den Fabriken dieses Unternehmens vergleichbare Missstände entdeckt wie bei Foxconn – illegal lange Arbeitszeiten, unzureichende Bezahlung und miese Behandlung durch Vorgesetzte.

 

 

Die neuen iPhones

 

Der angehängte Buchstabe „C“ soll nicht für „cheap“ (billig) stehen, sondern für „colour“ (Farbe). Denn sein neues iPhone bietet Apple in grün, blau, rot, gelb und weiß an. Außerdem stellte das Unternehmen aus Kalifornien am Dienstag und Mittwoch ein neues Premium-Produkt vor: das iPhone5s.

 

5c ist angeblich ähnlich leistungsstark wie das bisherige iPhone5. Um Kosten zu sparen, steckt die Elektronik jedoch in einem Kunststoff-, nicht mehr in einem Aluminimumgehäuse. Das 5s verfügt nach Unternehmensangaben über einen doppelt so schnellen Chip wie bisher und kann den Besitzer am Fingerabdruck erkennen. Das Eintippen von Codezahlen zum Entsperren kann entfallen.

 

Die farbige Ausführung soll ab 99 Dollar (etwa 80 Euro) in den USA kosten. Hinzu kommt allerdings ein Zweijahresvertrag. Ohne diesen dürfte der Preis bei ungefähr 600 Euro liegen, was nicht viel weniger ist, als bei den Premiummodellen. Das 5s gibt es ab 199 Dollar (etwa 160 Euro) plus Vertrag.

 

Mit der günstigeren Variante zielt Apple vor allem auf die Märkte in China und Indien. Dort verfügt das US-Unternehmen bisher nur über geringe Marktanteile. Ob diese Strategie angesichts des doch recht hohen Preises aufgeht, bleibt abzuwarten. Kommentatoren hatten im Vorfeld der Präsentation ein Billig-iPhone erwartet, das man überall für größenordnungsmäßig 100 Dollar kaufen könnte. Erstaunt war die Branche am Mittwoch auch darüber, dass Apple immer noch keinen Kooperationsvertrag mit der Telekom-Firma China Mobile vorweisen konnte, die den Amerikanern den Zugang zum chinesischen Markt erleichtern würde.

 

Augenblicklich scheint Apple des Höhepunkt seiner Erfolge hinter sich zu haben. Mit der Musikbörse iTunes, dem iPhone und dem Tabletcomputer iPad hatte die Firma aus Cupertino jahrelang den Standard gesetzt und sehr viel Geld verdient. Nun aber sinken die Gewinnmargen, wenngleich die Zahl der verkauften iPhones weiter steigt. Apple verkauft etwa 14 Prozent aller Smartphones, Marktführer Samsung etwa ein Drittel.

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