Neue Ökostrom-Debatte bis zur Bundestagswahl

Wirtschaft eröffnet den Sturm auf Solar- und Windgesetz. Wie könnte eine Reform aussehen? Übersicht über die Modelle

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Von Hannes Koch

27. Aug. 2012 –

Spätestens im Oktober kommt der nächste politische Strompreis-Schock. Dann steigt die Ökoenergie-Umlage wahrscheinlich von jetzt 3,59 Cent pro Kilowattstunde auf etwa fünf Cent. Schon jetzt beginnt deshalb eine neue Debatte über die Förderung der Erneuerbaren Energien. Unsere Zeitung sortiert die unterschiedlichen Ansätze für eine Reform.

Das Wirtschaftsmodell
Das Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) soll möglichst schnell abgeschafft werden. Dies forderte am Montag die von großen Unternehmen finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft auf der Basis eines Gutachtens des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler sieht das ähnlich.

Der Kern der Kritik: Das Gesetz sei hochgradig ineffektiv und viel zu teuer. Bis heute belaufen sich die Gesamtkosten der deutschen Solarkraftwerke demnach auf 100 Milliarden Euro. Diese Summen tragen die Unternehmen, vor allem aber die Privathaushalte mittels der Öko-Umlage. Für jede im Haushalt verbrauchte Kilowattstunde werden 3,59 Cent fällig. Um diese Kosten zu drücken, plädiert RWI-Wissenschaftler Manuel Frondel dafür, den Einspeisevorrang für Ökostrom abzuschaffen. Gegenwärtig müssen die Stromnetzbetreiber jede Kilowattstunde Wind- oder Sonnenstrom annehmen, die ihnen angeboten wird - Kohle und Gas haben das Nachsehen.

Später soll die Regierung laut RWI nur noch vorschreiben, wieviel Ökostrom in den Leitungen fließen muss. Dieses Quotensystem sorgt dann angeblich dafür, dass der preiswerteste, konkurrenzfähigste Ökostrom eingespeist wird. Solar- aber auch Windparks auf See hätten weniger Chancen. Die Förderung durch die Allgemeinheit könne von 59 Milliarden (aktuelle Regelung) auf sieben Milliarden Euro bis 2020 sinken.

Das Umweltmodell
Die Umweltverbände wollen am jetzigen Modell festhalten – mit Änderungen. So überlegt die  Deutschen Umwelthilfe (DUH), dass nicht mehr jede produzierte Kilowattstunde Ökostrom ins öffentliche Netz eingespeist werden sollte. Würde man in Zeiten hoher Produktion die Spitze um zwei Prozent kappen, wären Förderung und Netzausbau viel billiger.
 
Außerdem plädiert die DUH dafür, nur noch die energie-intensiven Industrien (etwa Aluminium-, Kupfer- und Stahl), für die hohe Strompreise tatsächlich einen Wettbewerbsnachteil darstellen, von der Ökoumlage zu befreien. Kleinere Firmen und die Privathaushalte würden bei der Umlage entlastet. Der Saarbrücker Energieexperte Uwe Leprich regt zudem an, die Finanzierung von Windparks auf dem Meer möglicherweise aus dem Gesetz herauszunehmen. Auch dies würde die Umlage senken. Allerdings wären dann andere Fördermittel notwendig, beispielsweise Steuern.  

Das Regierungsmodell
Bisher versucht die Koalition, das EEG zu renovieren, indem sie die Fördersätze für Ökoenergie stark reduziert. So ist beispielsweise die Einspeisevergütung, die Kraftwerke für Solarstrom erhalten, innerhalb von acht Jahren von fast 60 Cent pro Kilowattstunde auf unter 20 Cent gesunken. Ferner will die Regierung die Menge der jährlichen hinzukommenden Solaranlagen verringern. Die Deutschen bauen allerdings mehr neu, als der Regierung lieb ist. So kommt sie aus der Kostendebatte gegenwärtig nicht heraus.

Das Altmaier-Modell
Bundesumweltminister Peter Altmaiers vornehmste Aufgabe ist es, die Debatte zu entschärfen. Im September wird er einen „Verfahrensvorschlag“ präsentieren. Dies ist ein Plan, wer mit wem in welchem Rahmen über die Reform redet. Auf der Basis dieser Diskussion könnte sich abzeichnen, was nach der Bundestagswahl 2013 passiert. Bis dahin bleibt das EEG wie es ist, größere Änderungen würden schon die Länder im Bundesrat verhindern – und zwar nicht nur die SPD-regierten, sondern auch einige CDU-geführte wie Thüringen.  

Info-Kasten
Strompreis
Zwischen 2000 und 2012 stieg der Strompreis für Privathaushalte um rund zehn Cent. 3,6 Cent davon entfielen auf die Ökoumlage. Mehr als sechs Cent Steigerung hatten andere Gründe, unter anderem höhere Gewinne der Stromhersteller. Heute kostet die Kilowattstunde für Privathaushalte um die 25 Cent. Ein stromsparender Drei-Personen-Haushalt (kein Trockner, keine Tiefkühltruhe, Warmwasser aus der Zentralheizung) mit 2.000 Kilowattstunden Verbrauch bezahlt rund sechs Euro monatlich für die Energiewende. Soviel kosten zwei große Gläser Bier. Beim deutschen Durchschnittsverbrauch von 3.500 Kilowattstunden betragen die Öko-Kosten zehn Euro monatlich.

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