Neuer Anlauf für Suche nach Atomendlager
CDU-Umweltminister Altmaier und Rot-Grün in Niedersachsen schlagen Kompromiss vor
24. Mär. 2013 –
Einen wesentlichen Fortschritt bei der Suche nach einem deutschen Atomendlager scheinen die Bundesregierung und Rot-Grün in Niedersachsen gemacht zu haben. Eine parteiübergreifende Enquetekommission soll demnach bis 2015 Kriterien für die Standortauswahl erarbeiten, erklärten Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der dortige Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) am Sonntag.
Das umkämpfte Bergwerk im niedersächsischen Gorleben bleibt grundsätzlich im Verfahren, eine Vorfestlegung auf diesen Standort gibt es aber nicht mehr. Rot-Grün in Niedersachsen möchte Gorleben eigentlich komplett ausschließen. Alle potenziellen Orte für Endlager, seien sie in Baden-Württemberg, Bayern oder anderen Bundesländern, haben nun jedoch den gleichen Stellenwert.
In diesem Sinne laden Altmaier, Weil und Wenzel die Bundesländer und Parteien für den 7. April zu einem abschließenden Gespräch ein. Ihr Ziel ist es, dass bis zur parlamentarischen Sommerpause ein neues Gesetz für die Suche nach einem Atomendlager beschlossen wird. Gelingt dies, würden Altmaier, aber auch Rot-Grün einen Erfolg verbuchen, mit dem kaum jemand noch vor der Bundestagswahl gerechnet hat.
„Das ist kein fauler, sondern ein guter Kompromiss“, sagte Weil vor den Mikrofonen im Innenhof des Bundesumweltministeriums. Er betonte die entscheidende Rolle der Enquetekommission, die aus 24 Abgeordneten des Bundestages, der Länderparlamente, sowie Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden bestehen soll. Die Gründung der Kommission ist die wesentliche Änderung im Vergleich zum bisherigen Gesetzentwurf Altmaiers für die Endlagersuche.
In den kommenden zwei Jahren soll die Kommission entscheidende Rahmenbedingungen und Kriterien für die Standortauswahl neu diskutieren und möglichst einen Konsens formulieren. Entscheidungen kann das Gremium nur mit Zweidrittelmehrheit fällen. Es geht unter anderem darum, welche geologischen Formationen – etwa Salz, Granit oder Ton - dafür geeignet sind, den hunderttausende Jahre strahlenden Nuklearmüll aufzunehmen. Wissenschaftlich fundierte Kriterien sollen eine Entscheidung über Standorte ermöglichen. Ein weiterer Punkt: Wird das Lager so gebaut, dass man den Atomabfall grundsätzlich wieder an die Oberfläche zurückholen kann?
Altmaier, Weil und Wenzel beschrieben die bevorstehende Arbeit der Kommission übereinstimmend als „Stufe Null“ der Endlagersuche. Alle weiteren Schritte und Verfahren im Gesetz sollen unter dem Vorbehalt der Kommissionsentscheidung stehen. Ist diese schließlich zu einem Ergebnis gekommen, wird das Endlagersuchgesetz noch einmal novelliert. Dann erst kann die neue Bundesbehörde ihre Arbeit aufnehmen, die Altmaier eigentlich schon in diesem Jahr mit dem Verfahren betrauen wollte.
Niedersachsens Umweltminister Wenzel betonte, dass der umstrittene Standort Gorleben nur insoweit im Gesetzentwurf erwähnt werde, als dort keine weiteren Erkundungs- und Vorbereitungsarbeiten mehr stattfinden sollten. Auch weitere Transporte abgebrannter Brennelemente aus Atomkraftwerken in den niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg werde es nicht mehr geben. Außerdem habe man sich darauf geeinigt, den Rechtsweg für juristische Klagen nicht zu verkürzen.
Info-Kasten
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg mit dem Ort Gorleben in Niedersachsen war unter der Regierung des niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht 1977 zum Standort des einzigen bundesweiten Endlagers für stark strahlenden Müll erkoren worden. Die Kriterien für die Auswahl waren intransparent. Seitdem gibt es dort massiven Widerstand. Zahlreiche Wissenschaftler bezweifeln die Eignung des Salzstockes. Die aktuelle rot-grüne Landesregierung Niedersachsens hält Gorleben ebenfalls für ungeeignet. Um endlich zu einer Lösung des jahrzehntealten Konfliktes zu kommen, hat sich auch die Bundesregierung entschieden, die Suche nach einem Lager neu aufzurollen.