Neuer Anlauf zur Jahrhundertreform

Regierungskommission soll die Finanzierung des Gesundheitssystems sicherstellen

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Von Wolfgang Mulke

24. Feb. 2010 –

Die Bundesregierung hat eine Regierungskommission ins
Leben gerufen. Das Gremium soll die Grundlagen für eine nachhaltige und sozial verträgliche Finanzierung des Gesundheitssystems schaffen. Am Tisch sitzen die acht direkt oder indirekt mit dem System befassten Minister, also die Ressorts Gesundheit, Finanzen, Justiz, Verbraucher, Inneres, Familie, Wirtschaft und Arbeit. Zudem sollen die Länder in die Verhandlungen einbezogen werden. Nur in Einzelfällen will die Kommission auch Experten wie Wissenschaftler oder Kassenvertreten einladen. Am 17. März tagt die Runde erstmalig. Offen ist, wann Ergebnisse vorliegen werden.

Welche Aufgabe hat die Kommission?

Die Minister sollen den Koalitionsvertrag mit Leben erfüllen. Die
Koalitionsparteien haben darin eine große Gesundheitsreform vereinbart. Kernstück ist der Abschied von der paritätischen Finanzierung der Versicherungsbeiträge durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bisher zahlen die Betriebe sieben Prozent des Beitrags, die Beschäftigten 7,9 Prozent an die Krankenkassen. Gesundheitsminister Philipp Rösler will den Beitragssatz für Arbeitgeber festschreiben. Alle Kostensteigerungen sollen allein die Arbeitnehmer durch steigende Beiträge tragen. Anstelle der bisher einkommensabhängigen Beitragssätze sollen schrittweise
Kopfpauschalen treten. Jeder zahlt dann -- wie bei den Zusatzbeiträgen -- denselben Eurobetrag, egal wie hoch das Einkommen ist. Damit sich alle Arbeitnehmer und Rentner die Pauschale auch leisten können, ist ein sozialer Ausgleich vorgesehen.

Ist die Einführung einer Kopfpauschale realistisch?

Der Gesundheitsminister hat seinen Verbleib im Amt an einen Reformerfolg geknüpft. Die Einheitsprämie ist sein zentrales politisches Anliegen. Und doch ist es fraglich, ob Röslers Plan aufgeht. Denn die Einführung einer Kopfpauschale ist extrem teuer, wenn es einen Sozialausgleich geben soll. Der Minister selbst geht von zehn Milliarden Euro aus, die der Steuerzahler für Geringverdiener oder Rentner für den Einstieg in ein neues System jährlich aufbringen müsste. Das Bundesfinanzministerium erwartet Zusatzkosten von rund 35 Milliarden Euro. Viele Fachleute rechnen damit, dass die Reform allein schon wegen der knappen Kassenlage scheitert. Außerdem lehnt insbesondere die CSU die Kopfpauschale ab.

Was sagen die Kritiker?

Die Gegner der Kopfpauschale kommen aus verschiedenen Lagern. Die wohl gewichtigsten Kritiker finden sich in der Regierung selbst.
Finanzminister Wolfgang Schäuble hält das Projekt für zu teuer. Auch die Kanzlerin treibt die Prämie nicht voran. Die CSU hat bereits klar
gemacht, dass sie der Kopfpauschale nicht zustimmen wird. Die
Gewerkschaften bekämpfen das Vorhaben, weil die solidarische
Finanzierung des Gesundheitswesens abgeschafft werden soll und Menschen mit Geringem Einkommen um einen staatlichen Zuschuss zur Kopfpauschale bitten müssten. Auch die Krankenkassen sind dagegen. Die Kassen befürchten unter anderem ein bürokratisches Monster, weil eine Institution eingerichtet werden müsste, die das Einkommen eines jeden Versicherten überprüft, damit der Sozialausgleich durchgeführt werden kann. Auch sei die Kopfprämie nicht gerechter als die bisherige Finanzierung, vermutet der Verband der Ersatzkassen (VDEK).

Gibt es Alternativen?

Die Kritiker schlagen vor, eher bei den Ausgaben für die Gesundheit
anzusetzen als die Einnahmen zu erhöhen. Die Ersatzkassen haben einen ganzen Katalog von denkbaren Einsparungen vorgelegt. Dazu gehören zum Beispiel die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneien oder geringere Festpreise für neue und bisher extrem teure Medikamente. Auch sollen die Arzthonorare nicht so stark steigen wie zuletzt. Gesundheitsminister Rösler will mittlerweile auch an dieser
Stellschraube drehen und die Kosten senken.

Worauf müssen sich die Arbeitnehmer einstellen?

Unabhängig von der Art der Finanzierung werden die Gesundheitsausgaben stetig anwachsen. Die Beiträge für die Versicherten steigen daher langfristig an, sofern nicht Leistungen gekürzt werden. Sollte die Kopfpauschale eingeführt werden, hat dies beträchtliche Auswirkungen auf die Bevölkerung. Viele Versicherte werden ihren Beitrag nicht alleine aufbringen können und einen Zuschuss beantragen müssen. Generell drohen Steuererhöhungen, damit der Sozialausgleich auch finanziert werden kann.

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