Neuer Strommarkt als Rettung für Stadtwerke

Nicht nur Kilowattstunden verkaufen, sondern auch Garantiescheine für Versorgungssicherheit, fordert der VKU. Privatkunden sollen mit einem solchen System sparen können

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Von Hannes Koch

17. Jun. 2014 –

Durch Reformen am Elektrizitätsmarkt könnte der Strompreis für die Verbraucher sinken. Das stellte am Dienstag der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) auf der Basis eines neuen Gutachtens in Aussicht. Auch volkswirtschaftlich betrachtet würde die deutsche Stromrechnung dann zurückgehen, erklärte der Verband, der unter anderem die Stadtwerke vertritt.

 

Diese Aussagen beruhen auf Berechnungen für einen sogenannten Kapazitäts- oder Leistungsmarkt. Das ist ein neues Segment des Strommarktes, über dessen Einführung Politik und Unternehmen diskutieren. Während heute Großverbraucher wie Firmen, Verwaltungen und Universitäten konkrete Strommengen für bestimmte Termine bei den Betreibern der Kraftwerke kaufen, würden sie später am Kapazitätsmarkt das neue Produkt „Versorgungssicherheit“ erwerben können - also die Garantie, dass sie immer den Strom bekommen, den sie brauchen.

 

Dass viele Experten dieses zusätzliche Marktsegment für notwendig halten, ist eine Folge der Energiewende. Sonnen- und Windkraftwerke liefern zunehmende Mengen Elektrizität. Deshalb produzieren die konventionelle Anlagen unter anderem der Stadtwerke weniger Strom. Trotzdem sind einige davon aber als Reserve nötig, denn manchmal weht weder der Wind, noch scheint die Sonne. Die Frage lautet: Wie finanziert man teure Kohle- und Gaskraftwerke, die sich am Markt nicht mehr rechnen?

 

Diese Frage ist existenziell für die meisten konventionellen Stromproduzenten. Manche Stadtwerke gerade im Ruhrgebiet sind aber besonders betroffen, weil sie beispielsweise Aktien des Stromkonzerns RWE besitzen. Wegen der Energiewende wirft dieser Besitz weniger Rendite ab. Insgesamt stehen viele kommunale Energieversorger „unter großem Druck“, sagte Andreas Feicht, Vizepräsident des VKU und Vorstandsvorsitzender der Wuppertaler Stadtwerke. Am Mittwoch will die Gewerkschaft Bergbau Chemie Energie vor Personalabbau warnen. Sie fordert einen „geordneten Strukturwandel“ in der Energiewirtschaft.

 

Dazu könnte ein Kapazitätsmarkt beitragen. Er lässt sich so vorstellen: Beispielsweise Stadtwerke verkaufen nicht nur Strom, sondern auch Garantiezertifikate über zukünftige Lieferungen. Unternehmen erwerben diese und können damit sicher sein, künftig versorgt zu werden. Der Handel mit den Zertifikaten findet an einer Börse statt.

 

In ihrem Gutachten für den VKU erklärt die Unternehmensberatung Enervis, warum dieses System Vorteile hätte. Wenn die großen Nachfrager sicher seien, dass sie jederzeit genug Elektrizität bekämen, würden die Strompreise zu Zeiten, in denen Wind- und Sonnenkraftwerke wegen des Wetters stillstehen, nicht in absurde Höhe klettern. So liessen sich erhebliche Kosten einsparen, sagte Julius Ecke von Enervis. Die Einsparungen seien größer als die Kosten der Zertifikate.

 

Für den Zeitraum 2014 bis 2034 haben die Gutachter einen Vorteil von bis zu 27 Milliarden Euro errechnet. Private Verbraucher würden bis zu zwölf Euro jährlich sparen im Vergleich zum gegenwärtigen System ohne Kapazitätsmarkt, heißt es im Gutachten.

 

Die Idee ist allerdings umstritten. Umweltschützer kritisieren beispielsweise, dass die Energiekonzerne mit einem solchen System eine zusätzliche Finanzierungsquelle für klimaschädliche Braun- und Steinkohlekraftwerke bekämen. Zudem stellt sich die Frage, warum Deutschland einen nationalen Markt für Energiesicherheit braucht, wenn andererseits Europa zusammenwächst und Strom im Notfall auch importiert werden kann.

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