Nicht so ungerecht wie befürchtet

Die Armut in Deutschland hat 2010 leicht abgenommen. Die Ungleichheit der Einkommen ging etwas zurück

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Von Hannes Koch

25. Okt. 2012 –

Deutschland ist ein zunehmend ungerechtes Land – darüber sind laut Umfragen viele Bürger einig. Erst vor wenigen Tagen berichtete das Statistische Bundesamt, dass die Armut hierzulande gestiegen sei. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kommt jetzt zu einem freundlicheren Ergebnis. Die Armut habe abgenommen.


Leichte Besserung

2010 waren unter 14 Prozent der deutschen Bevölkerung von Armut bedroht. Rund elf Millionen Menschen befanden sich in dieser Situation. 2009 dagegen hatte der Anteil der armutsgefährdeten Personen noch bei knapp 15 Prozent gelegen, erläutert DIW-Forscher Markus Grabka. Als arm gilt dabei, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens der Bevölkerung zur Verfügung hat. Vor allem profitierte Westdeutschland. Dort ging die Armut auf gut zwölf Prozent der Bevölkerung zurück. Anders in Ostdeutschland: Der Anteil der Armen stagnierte bei 20 Prozent.


Was stimmt?

Das DIW zieht ausschließlich die Entwicklung der Einkommen zur Berechnung der Armutsquote heran. Das Statistische Bundesamt (Destatis) stützt sich dagegen auf zusätzliche Kriterien. Danach gelten Haushalte auch als armutsgefährdet, wenn ihre Mitglieder kaum bezahlter Arbeit nachgehen und über sich selbst sagen, dass sie unter „materieller Entbehrung“ leiden. Diese Kriterien ließen den Gesamtanteil der Armen laut Destatis auf 19,9 Prozent in 2011 steigen (19,7 Prozent in 2010).


Mehr Arbeitsplätze

Die laut DIW leicht positive Entwicklung hat eine eindeutige Ursache: Der Arbeitsmarkt läuft rund. Mehr Menschen arbeiten, die Zahl der guten, sozialversicherungspflichtigen Stellen steigt, die Einkommen der Beschäftigten ebenso.


Helfen Minijobs?

Am Donnerstag beschloss der Bundestag, die schlecht bezahlten Minijobs auszuweiten. DIW-Forscher Grabka sagt dazu: „Geringfügige Beschäftigung oder Teilzeittätigkeiten können das Armustrisiko nur bedingt begrenzen. Sie erhöhen langfristig das Risiko für Altersarmut.“


Einkommen steigen

Das durchschnittliche Bruttoeinkommen pro Ein-Personen-Haushalt stieg 2010 in Westdeutschland auf rund 2.000 Euro, hat das DIW ermittelt. In Ostdeutschland nahm es auf knapp 1.500 Euro zu. Die Werte für den Durchschnittshaushalt mit zwei Personen liegen bei rund 3.000 Euro im Westen, 2.300 Euro im Osten.


Ungleichheit nimmt ab

Betrachtet man ganz Deutschland, hat die Ungleichheit der Bruttoeinkommen abgenommen. Während die ärmeren 40 Prozent der Bevölkerung Verdienstzuwächse verbuchen konnten, stagnierten 2010 die mittleren und oberen Einkommen. Hier machten sich die Verluste der Finanzkrise bemerkbar. Das Ergebnis: Der Abstand zwischen oben und unten verringerte sich etwas.


Wie gerecht ist Deutschland?

Deutschland gehört zu den Staaten auf der Welt, in denen die Spreizung zwischen Arm und Reich am geringsten ist. Jedoch hat sie in den vergangenen 30 Jahren erheblich zugenommen. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt nur ein Prozent der Vermögen, die reichsten zehn Prozent dagegen 53 Prozent.

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