Nichts tun kann teuer werden

Womöglich kommen Erben 2009 ungeschoren davon / Experten uneins, ob altes Recht weiter gilt

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Von Wolfgang Mulke

05. Nov. 2008 –

Der anhaltende Streit um die neue Erbschaftsteuer wirft eine unangenehme Frage auf. Kommen reiche Erben im kommenden Jahr ungeschoren davon, wenn die Koalition bis zum Jahresende keine Neuregelung zustande bringt? Über die für den Staatshaushalt womöglich kostspielige Frage sind sich Juristen völlig uneins. Im schlimmsten Fall stehen damit vier Milliarden Euro an Steuereinnahmen auf dem Spiel.

 

Es geht um die Interpretation des Verfassungsgerichtsurteils zur Erbschaftsteuer aus dem Jahr 2006. Darin haben die Richter die bisherige Erhebung der Erbschaftsteuer als verfassungswidrig eingestuft. Zugleich wurde dem Bundestag eine Frist bis Ende dieses Jahres eingeräumt, um die rechtlichen Schieflagen auszubügeln. „Wenn dies nicht gelingt, fällt das Gesetz weg“, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium. Dies hätte zur Folge, dass Erben zunächst einmal keine Steuer mehr auf den übernommenen Nachlass bezahlen müssten.

 

Doch zu früh sollten sich die möglichen Profiteure des politischen Streits zwischen SPD und Union nicht freuen. Denn die Karlsruher Richter haben mit einer Formulierung im Urteil für unklare Verhältnisse gesorgt. „Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung weiterhin anwendbar“, heißt es da. Manche Experten schließen daraus, dass Erben auch im kommenden Jahr Steuern zahlen müssen.

 

Die Bundessteuerberaterkammer (Bstbk) sieht das anders. „Die alte Regelung kann über den 31.12.2008 hinaus nicht mehr angewendet werden“, erläutert Verbandschef Horst Vinken. Ein Gutachten des Bstbk sieht ab 2009 verneint die Grundlage für die Erhebung der Steuer. Denn mit der zweijährigen Frist habe der Gesetzgeber ausreichend Zeit für eine Neuregelung erhalten. Weder sei ein Rechtschaos zu erwarten noch das Steueraufkommen in Gefahr. Es gebe mithin keinen Grund, einen verfassungswidrigen Zustand länger aufrecht zu erhalten.

 

Das Bundesverfassungsgericht selbst will sich zum eigenen Urteil nicht weiter äußern. „Wir interpretieren unsere Entscheidungen nicht“, betont eine Sprecherin. So bleibt die Klärung der Milliardenfrage womöglich wieder Gerichten vorbehalten. Sollten die Finanzämter die Erbschaftsteuer auch ohne neues Gesetz weiter erheben, werden Betroffene wohl dagegen klagen oder eine Verfassungsbeschwerde einlegen. Treibt der Fiskus die Steuer ab Januar nicht mehr ein, ist auch noch nicht alles klar. Eine spätere Neuregelung könnte dann noch rückwirkend gelten. Auch dies ist allerdings unter Fachleuten so umstritten, viele auf eine offizielle Stellungnahme lieber verzichten. Der Steuerberater kann derzeit auch nicht helfen. Die Betroffenen müssen warten. „Den Beratungsstau können wir erst auflösen, wenn die Rahmenbedingungen für die Neuregelung endlich stehen“, bedauert Vinken.

 

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