Niebel erobert sein Ministerium

Der neue Entwicklungsminister setzt Akzente. Selbst die Union kritisiert ihn dafür

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Von Hannes Koch

19. Feb. 2010 –

Selten kommt es im Politikbetrieb der Bundeshauptstadt vor, dass sich die eine Regierungspartei öffentlich über die Personalpolitik der anderen beschwert. In der Union hat man dieses Tabu nun verletzt. „Auch in anderen Parteien gibt es gute Entwicklungspolitiker“, kritisierte CSU-Entwicklungspolitikerin Dagmar Wöhrl eine Neubesetzung an der Spitze des Entwicklungsministeriums (BMZ), das seit Oktober 2009 Bundesminister Dirk Niebel (FDP) leitet.


Niebel beabsichtigt, den allseits anerkannten und fachkundigen Abteilungsleiter Adolf Kloke-Lesch durch Oberst a.D. Friedel Eggelmeyer, einen sicherheitspolitischen Berater mit FDP-Parteibuch, zu ersetzen. Der Konflikt um diesen Wechsel zeigt, wie spannungsgeladen das Verhältnis zwischen Niebel und seinem Ministerium ist, und wie aufmerksam das Wirken des entwicklungspolitischen Neulings beobachtet wird.


Die Besetzungspolitik im BMZ hat kürzlich schon der Personalrat des Ministeriums bemängelt. Zwar erscheint es normal, dass ein neuer Minister wichtige Mitarbeiter an der Spitze seines Hauses auswechselt. Doch in diesem Fall ist die Lage komplizierter. Niebel, der seit 1998 den Wahlkreis Heidelberg im Bundestag vertritt, erobert ein Ministerium zurück, das seit Jahrzehnten nicht mehr in der Hand der FDP war. Zwar amtierte als erster Entwicklungsminister ab 1961 der Liberale Walter Scheel, später dominierten jedoch Minister der Union, und zuletzt zwölf lange Jahre Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Lange gewachsene persönliche Geflechte werden nun zerrissen. Hinzu kommt, dass sich die Entwicklungspolitiker in der Union ärgern: Bei der regierungsinternen Postenverteilung haben Sie nicht einmal einen Staatssekretär im BMZ abbekommen.


Aus einem weiteren Grund ist die beabsichtigte Berufung des Oberst im Ruhestand auch in der Öffentlichkeit umstritten. In Interviews hat Niebel deutliche Warnungen an die Adresse wichtiger Entwicklungsorganisationen ausgesprochen. Entwicklungshelfer, die beispielsweise in Afghanistan nicht mit der Bundeswehr zusammenarbeiten wollten, würden auch kein Geld vom BMZ mehr erhalten. „Wer in den Regionen keine Aufträge durchführen möchte, der muss das nicht, aber er kann dann auch nicht an diesem Geld partizipieren“, sagte der Minister.


Seitdem ist von der „Militarisierung der Entwicklungspolitik“ die Rede. „Niebels Äußerungen könnten auf einen Politikwechsel hindeuten“, befürchtet etwa der grüne Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe. Auch die einflussreichen Entwicklungsorganisationen sind alarmiert. „Die Unabhängigkeit der Hilfsorganisationen ist natürlich drastisch in Gefahr, wenn sie an militärische Einsätze gekoppelt wird. Dies macht ihre Arbeit nicht nur unglaubwürdig, sondern auch lebensgefährlich“, sagt etwa Jürgen Lieser von der katholischen Caritas.


Bisher geht es nur um einen Streit um Worte. Tatsächlich geändert hat sich in der Entwicklungspolitik noch nichts. Es existieren jedoch mehrere mögliche Konfliktfelder. So stellte Niebel die deutsche Entwicklungshilfe für China in Frage. Das Land sei ökonomisch so stark, dass es keiner Unterstützung mehr bedürfe. Diese Position ziehen Experten in Zweifel, auch Ökonomie-Professor Rolf Langhammer, der dem wissenschaftlichen Beirat des BMZ angehört. Erstens sei China teilweise durchaus noch als Entwicklungsland einzustufen, und zweitens diene „die Entwicklungshilfe als Eintrittskarte für den Dialog“ mit der Regierung in Peking, argumentiert Langhammer.


Niebels weitere Tätigkeit dürfte kein Spaziergang werden. Immer wird ihm die vor der Wahl geäußerte Absicht nachhängen, das vermeintlich überflüssige Ministerium eigentlich auflösen zu wollen. Nun muss er eine Aufgabe bewältigen, die extrem schwer ist. Die Vorgängerregierungen haben sich international verpflichtet, die deutschen Zahlungen für Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung anzuheben – eine milliardenteure Zusage, deren Erfüllung in Zeiten der Wirtschaftskrise sehr viel Überzeugung und Durchsetzungswillen erfordert. Ob Niebel diese aufbringt, wird man sehen.

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