Null Neuverschuldung als Markenkern

Trotz Kritik und Warnungen will die Bundesregierung nicht mehr Geld für Investitionen ausgeben

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Von Hannes Koch

08. Sep. 2014 –

Die Warnungen nehmen zu, doch die große Koalition hält an ihrer Linie fest. Zum ersten Mal seit 1969 will die Bundesregierung für das kommende Jahr einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden beschließen. Währenddessen mahnen Ökonomen höhere Ausgaben für Investitionen an oder stellen, wie Marcel Fratzscher, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das Null-Schulden-Ziel in Frage.

 

Ab Dienstag dieser Woche berät der Bundestag über den Haushalt 2015. Dieser ist ein historischer: Vor dem Hintergrund des mehrjährigen Aufschwungs will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein altes Ziel endlich umsetzen: Die Ausgaben sollen die Einnahmen nicht mehr übersteigen. Das Versprechen diesmal auch wirklich einzuhalten, berührt den „Markenkern der Union“, wie es in der CDU-Fraktion heißt. Auch die Haushaltspolitiker der SPD tragen diese Politik mit.

 

Nachdem das Vorhaben bis vor einigen Monaten realistisch erschien, trübt sich die Perspektive aktuell ein. Der Aufschwung in Deutschland stockt, die Wirtschaft im Euroraum wächst wenig, und es verbreiten sich Sorgen einer Deflation.

 

So sagt DIW-Chef Fratzscher: „Bei einer erneuten Vertiefung der Krise sollte der Bund den gesamten Spielraum nutzen, den die Schuldenbremse bietet. Dann muss die Konjunktur mit höheren Ausgaben gestützt werden.“ Fratzscher identifiziert damit einen Spielraum von etwa zehn Milliarden Euro jährlich. Denn der Bund darf sich höchstens mit 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts verschulden.

 

Hinzu kommt eine zweite Debatte. Fratzscher, aber auch Ökonomen wie Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), attestieren Deutschland eine Schwäche bei den Investitionen. Unternehmen würden zu wenig Geld für Forschung ausgeben, und der Staat kümmere sich nicht ausreichend um den Erhalt der öffentlichen Infrastruktur. Deren Wert und Leistungsfähigkeit nehme damit ab. So seien Brücken und Straßen oft in schlechtem Zustand, die Leitungen für die Datenübertragung in vielen Regionen veraltet.

 

26 Milliarden Euro sollen im Haushalt 2015 für Investitionen zur Verfügung zur Verfügung stehen. Insgesamt beinhaltet der Etat Ausgaben von knapp 300 Milliarden Euro. Schäuble argumentiert, für Verkehrsinfrastruktur werde im kommenden Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich ausgegeben. Ein ähnlicher Betrag stehe zusätzlich für Bildung, Wissenschaft und Forschung bereit. Darüberhinaus gebe es nur dann mehr Geld, wenn der Haushalt Überschüsse verzeichne, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

 

Zwar wollen Deutschland und Frankreich demnächst einen gemeinsamen Plan für höhere Investitionen im Euroraum vorlegen. Ob sich damit aber an der deutschen Linie in der Haushaltspolitik etwas ändert, muss sich erst zeigen.

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