Nur die Schufa reicht nicht
Firmen dürfen nicht ausschließlich auf Auskunftei setzen. EuGH stärkt Verbraucherrechte
08. Dez. 2023 –
In einem wegweisenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Verbraucherrechte gestärkt. Es geht darum, wie Firmen die Bonitätsabfragen bei der privatwirtschaftlichen Auskunftei Schufa einsetzen dürfen, um über Verträge zu entscheiden. Zahlreiche Unternehmen müssen jetzt ihre Verfahren ändern.
Was besagt das Urteil?
Die Bonitätsbewertung der Schufa darf nicht maßgeblich sein, wenn ein Unternehmen über einen Vertrag entscheidet. Dass eine Bank etwa für einen Onlinekredit den Schufa-Score abfragt – was in der Regel automatisch geschieht – und dann sofort je nach Höhe für oder gegen den Antragsteller entscheidet, ist nach der europäischen Datenschutzgrundverordnung rechtlich nicht korrekt. Werden neben dem Score noch weitere Kriterien stärker genutzt, ist es zulässig. Der EuGH folgt damit im Wesentlichen dem Generalanwalt, der den Fall im März eingeschätzt hat.
Welche Folgen hat das?
Die Schufa hat in den vergangenen Monaten seine Kunden – etwa Banken, Händler, Mobilfunkunternehmen – befragt, wie sie die jeweiligen Scores verwenden. Danach nutzen die meisten die Bonitätsbewertungen zusätzlich zu anderen Faktoren. Hausbanken etwa haben in der Regel mehr und anderes Wissen über ihre Kunden als die Schufa. Eine Umfrage von Süddeutscher Zeitung und NDR zeigte allerdings, dass viele Schufa-Kunden sich auf den Score verlassen. Sehr wahrscheinlich werden alle Unternehmen, die sich maßgeblich auf die Schufa-Werte verlassen, ihre Verfahren anpassen. Sie könnten weitere Kriterien heranziehen oder den potenziellen Kunden auffordern, dass er dem automatisierten Verfahren zustimmt. Im ersten Fall entfällt das „maßgeblich“, im zweiten Fall verzichtet der Kunde darauf.
Was ist ein Score?
Die Schufa berechnet aus bis zu 100 verschiedenen Daten, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand einen Kredit zurückzahlt, einen Mobilfunkvertrag bedient oder etwas online Bestelltes auch bezahlt. Der sogenannte Score gibt an, wie zahlungsfähig eine Person ist. Der Wert kann zwischen 0 und 100 liegen. 97 gibt eine hohe Bonität an, 50 eine eher schlechte. Es gibt mehr als 160 verschiedene Scores, der wichtigste ist der Bankenscore. Wie die Werte errechnet werden, verrät die Schufa nicht – Betriebsgeheimnis.
Was steht im Gesetz?
Der EuGH musste auf Basis der Datenschutzgrundverordnung entscheiden. In Artikel 15 steht, dass jeder und jede ein Recht hat zu erfahren, ob personenbezogene Daten verarbeitet werden und welcher Art sie sind. Im Fall „einer automatisierten Entscheidungsfindung gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4“ muss ein Unternehmen auch „aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik“ geben. Das bedeutet nach Ansicht von Schufa-Kritikern, dass das Unternehmen dann offenlegen muss, wie das Scoring berechnet wird.
Muss die Schufa jetzt offenlegen, wie sie die Scores berechnet?
Die Frage lässt sich nicht klar beantworten. Die Verbraucherzentrale NRW schreibt, „dass Verbraucher:innen nun mehr Transparenz von der Schufa verlangen können und das Recht haben, zu erfahren, wie der Wert ihres Schufa-Scores zustande kommt.“ Eindeutig ist das nicht. Das gilt nur, wenn der Score maßgeblich für die Vertragsentscheidung ist. Und diese Praxis ist nach dem Urteil wohl nicht zulässig.
Warum hat sich der EuGH mit dem Thema beschäftigt?
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat den EuGH angerufen. Es behandelt die Klage eines Mannes gegen den hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, die Aufsichtsbehörde der Schufa. Eine Bank hatte dem Mann mit Hinweis auf seinen Schufa-Score einen Kredit verweigert. Auf Nachfrage lieferte die Schufa dem Mann zwar seinen Score-Wert, nicht aber, wie er zustande gekommen war. Der Mann klagte deshalb.
Wer ist die Schufa und warum ist sie wichtig?
Die Schufa wurde 1927 als Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung gegründet und ist die größte und wichtigste Auskunftei dieser Art in Deutschland. Mehr als 10.000 Firmen fragen Bewertungen bei den Wiesbadenern ab, um einschätzen zu können, ob sie ein Geschäft mit einer Kundin oder einem Kunden machen wollen. Viele Abfragen laufen inzwischen standardisiert. Täglich sind es bei der Schufa etwa 300.000, an Spitzentagen wie dem Online-Rabatttag Black Friday auch bis zu einer Million. Die Schufa hat über die Jahre Daten von rund 68 Millionen Bundesbürgern und sechs Millionen Firmen gesammelt. Sie gehört zu jeweils mehr als einem Viertel den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen. Den Rest halten vor allem Geschäftsbanken. Das Unternehmen beschäftigt rund 900 Mitarbeiter und setzte 2022 rund 267 Millionen Euro um. Scoring macht 13 Prozent des Geschäfts aus.