Ökonomen watschen Sarkozy ab

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos stößt die Forderung des französischen Präsidenten, die Weltwährungspolitik besser zu koordinieren, auf gemischte Reaktionen. „Lassen Sie uns keine Zeit mit solchen Debatten verschwenden“, sagt US-Ökonom Nouriel Roubini.

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Von Hannes Koch

29. Jan. 2010 –

Schon während der Rede des Präsidenten schüttelten sie im Auditorium die Köpfe. Viele der Unternehmer und Bankchefs im großen Saal des Konferenzzentrums von Davos wollten nicht so recht glauben, was ihnen Nicolas Sarkozy in seiner Eröffnungsrede des Weltwirtschaftsforum da erzählte. Der französische Staatschef zog nicht nur mit deutlichen Worten gegen die Unmoral der Banken zu Felde, sondern forderte auch ein neues Weltwährungssystem. Dies halten nicht wenige Ökonomen für unrealistisch.


„Wir brauchen ein neues Bretton Woods“, sagte Sarkozy am Mittwoch Abend vor hunderten Gästen des 40. World Economic Forums (WEF) in Davos. „Das geldpolitische Dumping einiger Staaten können wir nicht tolerieren.“ Der französische Präsident sprach damit China an, das seine Währung Renmimbi im Verhältnis zum Dollar und Euro künstlich niedrig hält – unter anderem, um seine Exportprodukte zu verbilligen.


Mit seiner Forderung nach einem „neuen Bretton Woods“ verweist Sarkozy auf das Weltwährungssystem, das die Siegermächte des 2. Weltkrieges ins Leben riefen. Bis Anfang der 1970er Jahre waren die Kurse der wichtigsten Weltwährungen im Verhältnis zum US-Dollar festgelegt. Devisenspekulationen, die die Währungen einzelner Länder aus dem Gleichgewicht hätten bringen können, waren kaum möglich. 1973 aber brach das System wegen Überangebot und Entwertung des Dollar zusammen.


Seitdem schwanken die Kurse der Weltwährungen. Einzelne Länder, wie aktuell China, legen den Außenwert ihres Geldes nach nationalem Gutdünken fest. Das führt zu Krisenphänomen. Gegenwärtig verweist etwa US-Ökonom Nouriel Roubini darauf, dass Investoren hunderte Milliarden von den USA nach China verlagern, um mit den dort höheren Zinsen hübsche Gewinne zu machen. Deshalb entstehe dort eine neue gefährliche Spekulationsblase, so Roubini.


Ist es deshalb aber richtig, die Kurse der Weltwährungen wieder koordiniert festlegen zu wollen? Viele Ökonomen beim WEF halten das für unmöglich. „Bindende Abmachungen über den Kurs ihrer Währungen würden den Handlungspielraum der nationalen Regierungen einschränken“, sagt etwa Raghuram Rajan, Wirtschaftsprofessor in Chicago und früherer Chefökonom des Internationalen Währungsfonds. Deshalb sei die Forderung nach gemeinsamer Wechselkurspolitik gut gemeint, aber schlicht unrealistisch, so Rajan. Ähnlich sieht es Roubini. „Die Koordination der Wechselkurse hat man schon vor 30 Jahren diskutiert. Es ist noch nie passiert, und es wird auch nicht passieren. Lassen Sie uns keine Zeit mehr mit solchen Debatten verschwenden.“


Freilich gibt es auch Ökonomen, die ähnlich wie Sarkozy für eine abgestimmte Währungspolitik plädieren. So setzt sich etwa Peter Bofinger, Wirtschaftsberater der Bundesregierung, für das so genannte „managed floating“ ein, bei dem die Kursschwankungen der Weltwährungen zumindest eingeschränkt würden.


Zhu Min, der in Davos anwesende Vize-Chef der chinesischen Nationalbank, hielt sich bedeckt, was den zu niedrigen Wechselkurs des Renmimbi betraf. Während einer Diskussion am Eröffnungstag des WEF spielte er den Ball stattdessen an die USA zurück. Weil Währungsspekulationen „ein wirkliches Risiko für 2010“ darstellten, müssten die Amerikaner etwas gegen „die niedrigen Zinsen“ unternehmen.


Neben seinen Ausführungen zu Bretton Woods las Sarkozy den Bankern die Leviten. In seiner Rede, die eher dem Fernseh- als dem in Davos anwesenden Fachpublikum galt, schreckte der französische Präsident auch vor reichlich platten Formulierungen nicht zurück. Die Finanzkrise sei entstanden, weil „die Unternehmer den Spekulanten Platz machen mussten“, wetterte er. „Die Finanzspekulation hat unsere Zukunft entwertet.“


Außerdem plädierte Sarkozy für ein umfassendes Welthandelssystem, das weit über die bisherigen Strukturen der Welthandelsorganisation (WTO) hinausgehen solle. Die WTO ist im wesentlichen dem Freihandel verpflichtet. Demgegenüber forderte der französische Präsident auch Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsgesetze zu bindendem internationalen Recht zu machen. In letzter Konsequenz könnte ein Staat dann den Import von Waren untersagen, weil bei der Produktion grundlegende UN-Normen wie die Koalitionsfreiheit oder das Gebot, auskömmliche Löhne zu zahlen, nicht eingehalten wurden. Für solche Forderungen erhielt Sarkozy neben den ärgerlichen Blicken manches Vorstandsvorsitzenden am Ende auch stehenden Applaus vieler Zuhörer.

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