Ökostrom kann Atomstrom ersetzen

Debatte um längere Laufzeiten von Atomkraftwerken: Deutschland kommt gut zurecht ohne die nukleare Energie

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Von Hannes Koch

10. Aug. 2010 –

Der Ton im Atomstreit wird schärfer. Nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause will die Union festlegen, um wieviele Jahre die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert werden soll. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) plädiert dabei für eine moderate Ausdehnung von etwa acht Jahren pro Kraftwerk, unter anderem Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) will aber deutlich mehr durchsetzen.

 

Eine zentrale Frage, die Befürworter und Gegner längerer Laufzeiten öffentlich diskutieren, lautet: Braucht Deutschland überhaupt Atomkraftwerke, um seine Stromversorgung auch in Zukunft zu sichern?

 

Anhänger einer umweltfreundlichen Stromversorgung wie Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagen: „Nein“. Die Erneuerbaren Energie Wind, Sonne, Biomasse und andere würden die nuklearen Stromproduzenten in den kommenden Jahrzehnten überflüssig machen. Trittin stützt sich auf neueste Prognosen, die sich auch Umweltminister Röttgen zu eigen gemacht hat.

 

Der Anteil der sauberen Stromquellen steigt demnach in Deutschland von gegenwärtig 16 Prozent auf rund 40 Prozent in 2020. Demgegenüber erwirtschaften die Atomkraftwerke heute einen Stromanteil von etwa 20 Prozent, der infolge des unter Rot-Grün geplanten Ausstiegs in den kommenden 15 Jahren komplett wegfallen soll. Die Addition von 24 Prozent Zuwachs sauberen Stroms und 20 Prozent Wegfall des Atomstroms ergibt eine positive Bilanz von vier Prozent. Die klare Botschaft: Öko-Strom kann Atomstrom mehr als ersetzen. Dieses Modell beruht unter anderem auf der Annahme, dass der Stromverbrauch trotz der massenhaften Einführung von Elektroautos insgesamt nicht steigt, weil sparsame Geräte und Motoren den Verbrauch reduzieren.

 

Die Zahlen der Ökologen bestreitet Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln nicht. Trotzdem nennt er zwei Argumente für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken. Erstens schwanke das Stromangebot aus den riesigen Windparks der Zukunft wegen des Wetters stark. Ökoenergie sei also nicht so verlässlich wie Atomstrom, der in jedem Fall fließe, sagt Bardt. Und zweitens biete die Kernenergie einen ökonomischen Vorteil: Wenn man die Anlagen am Netz lasse und stattdessen einige alte, klimaschädliche Kohlekraftwerke abschalte, so Barth, profitiere Deutschland von einem extrem kostengünstigen Klimaschutz-Programm. Der Ausstoß von Kohlendioxid sinke rapide, ohne dass man neue, saubere, aber auch teure Gaskraftwerke als Ersatz für die alten Kohleanlagen errichten müsse.

 

Das Umweltbundesamt weist diese Argumente des IW freilich zurück. In seinem Szenario „Energieziel 2050“ hat das UBA jüngst dargelegt, dass der Ausbau der Stromnetze und ein modernes Management der Stromverteilung etwaige Lieferengpässe ausschließen können. Und zum angeblich überflüssigen Neubau sauberer Gaskraftwerke heißt es beim UBA: Der ökonomische Vorteil dieser Variante werde unter anderem in Frage gestellt durch die höheren Entsorgungskosten für Atommüll, die beim längeren Betrieb der Atomkraftwerke entstünden.

 

Einen entscheidenden Vorteil bieten längere Laufzeiten aber in jedem Fall – für die Betreiber der nuklearen Kraftwerke. Die Gewinne aus den AKW fließen weiter, auch deshalb, weil der Strom, den Deutschland nicht mehr braucht, ins Ausland exportiert werden kann.

 

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AKW-Kompromiss

Für die Bundesregierung könnte ein möglicher Ausweg aus ihrem Atomstreit so aussehen: Die deutschen Atomkraftwerke erhalten eine durchschnittliche Laufzeitverlängerung. Die Zahl der Jahre liegt bei etwa zehn pro Anlage. Unsichere, alte Kraftwerke werden bald abgeschaltet, neuere dürfen dafür aber sehr viel länger laufen. Dies könnte die Laufzeit einzelner AKW bis 2040 ausdehnen.

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