Pleite als Chance

Kommentar zur gescheiterten Pkw-Maut

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Von Wolfgang Mulke

19. Jun. 2019 –

Ohne Frage ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Pkw-Maut in Deutschland eine Blamage für die Bundesregierung, insbesondere für die CSU. Deren Vorstellung, mit einer Ausländer-Maut am rechten Rand Wähler zu fangen, ist grandios gescheitert. Und die damit verbunden bereits entstandenen Kosten nicht zu entschuldigen. Und doch hat die Entscheidung der Luxemburger auch eine gute Seite. Die Finanzierung der Verkehrswege muss neu und umfassender denn je geklärt werden. Der Weg für eine intelligente, den Klimaschutz fördernde und ideologiefreie Verkehrswende ist nun frei.

Die Bestandteile der Rezeptur sind bekannt und mittlerweile auch in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert. Das Auto mit Verbrennungsmotor soll weniger fahren, Busse und Bahnen einen größeren Anteil der Mobilitätsbedürfnisse decken. Angesichts des enormen Finanzbedarfs für die Modernisierung des Bahnnetzes und den Ausbau der Nahverkehrslinien drängt sich eine Umverteilung der zur Verfügung stehenden Investitionsmittel auf. Die Prioritäten müssen sich von der Straße weg hin zur Schiene bewegen. Zugleich darf aber auch das Straßennetz nicht verfallen, denn es wird weiterhin ein zentraler Bestandteil des Verkehrssystems bleiben. Auf gut deutsch: Die Verkehrswende wird teuer und irgendjemand muss sie bezahlen.

Hier kommt die Maut wieder ins Spiel, nur eben nicht als Ausländermaut, sondern als Nutzungsgebühr für die Straßen. Autofahren würde teurer und damit weniger attraktiv. Zugleich stünden mehr Mittel für den Ausbau der anderen Verkehrsträger zur Verfügung. Die beiden wichtigsten Kritikpunkte an dieser Strategie können aus dem Weg geräumt werden. Da ist die soziale Frage. Die Situation von Pendlern und anderen Bewohnern ländlicher Räume darf sich im Vergleich zu anderen Autofahrern nicht verschlechtern. Mit Rabatten auf die Gebühren ließe sich dies so lange regeln, bis es überall qualitativ gleichwertige Mobilitätsangebote gibt. Und es muss in dem Maße Fortschritte beim Umbau des Verkehrssystems geben, in dem die finanzielle Belastung dafür steigt. Die Verkehrswende ist eben keine Sache von ein paar Jahren, sondern von ein bis zwei Jahrzehnten. Ohne eine breite Akzeptanz durch ein gutes Angebot wird sie nicht gelingen.

Die Chancen dafür stehen aktuell besser als je zuvor. Der Klimaschutz steht auf einmal hoch im Kurs und die Verkehrsadern, ob Straße oder Schiene, sind überlastet. Nun ist von der Politik Mut und Geschlossenheit gefragt, das Problem ernsthaft und über die Parteigrenzen hinweg als Generationenprojekt anzupacken. Wenn dies gelingt, hat die Blamage am Ende noch Gutes bewirkt.

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