"Politiker können solche Großprojekte nicht kontrollieren"

Das Interview

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Von Wolfgang Mulke

14. Jan. 2013 –

Öffentliche Großprojekte enden häufig in einem finanziellen Fiasko. Warum das so ist, weiß Martin Schlegel. Der 55-jährige Bauingenieur kennt beide Seiten. Am Frankfurter Flughafen war er für den Ausbau als Auftraggeber verantwortlich. Heute ist er Vorstand der Oberhausener Heine Bau-AG und Präsident des Bauindustrieverbands Nodrhein-Westfalen.

 

Die Korrespondenten: Warum laufen die Kosten von Großprojekten regelmäßig aus dem Ruder?

 

Martin Schlegel: Großpojekte leiden an einem hohen Maß an Komplexität. Am Anfang der Planung sind längst nicht alle Details bekannt, die Kosten verursachen, sondern nur ein grobes Design. Bei einem Flughafen wissen sie zum Beispiel, dass sie ein Terminalgebäude, Startbahnen oder Grundstücke benötigen. Die Kosten werden nach Erfahrungswerten geschätzt und so entsteht eine erste Summe der Gesamtkosten. Aber erst mit wachsender Planungstiefe können die Kosten genau ermittelt werden.

 

Die Korrespondenten: Warum nennt man dann Summen, wenn man noch gar nichts genaues weiß?

 

Schlegel: Politiker neigen dazu, die Kosten herunter zu spielen, damit ein Projekt politisch durchsetzbar ist. Dazu eignet sich diese erste Zahl, an der später alles gemessen wird. Dabei besteht selbst in der zweiten Phase mit einer tiefen Entwurfsplanung bei guter Planung noch ein Kostenrisiko von 30 Prozent.

 

Die Korrespondenten: Inwieweit tragen Genehmigungsverfahren zu diesen Unwägbarkeiten bei?

 

Martin Schlegel: Nach dem Vorentwurf kommt immer die Frage, ob diese Planung überhaupt genehmigungsfähig ist. Das sollte der Architekt garantieren können, in dem er sich schon vorher mit den zuständigen Behörden darüber ausreichend verständigt. Geschieht dies nicht, können die Kosten explodieren, ob wohl dies vermeidbar wäre. Nicht vermeidbar sind Kostensteigerung, wenn während des Projekts vom Gesetzgeber Richtlinien verändert werden, wie zum Beispiel nach dem Brand am Düsseldorfer Flughafen.

 

Die Korrespondenten: Wer trägt in der Regel die Hauptverantwortung, wenn Projekte aus dem Ruder laufen: Die Auftraggeber mit unrealistischen Vorgaben und Wünschen oder die Bauindustrie, die mehr verspricht als sie am Ende halten kann?

 

Schlegel: Es gibt auf beiden Seiten eine Verantwortung. Je länger ein Projekt dauert, desto mehr kostentreibende Veränderungswünsche bringt der Bauherr ein. Umgekehrt spekulieren viele Baufirmen auf teure Nachtragsaufträge. Die Unternehmen schauen sich die Ausschreibung an und entdecken Fehler, die zwangsläufig irgendwann nachgebessert werden müssen, sagen aber nichts. Hier sind beide Seiten gefordert. Der Auftraggeber muss eine vernünftige Planung vorlegen und die Baufirmen ehrlich einschätzen, ob diese so umgesetzt werden kann.

 

Die Korrespondenten: Inwieweit spielt der enorme Wettbewerbs- und Preisdruck in diesem Zusammenhang eine Rolle?

 

Schlegel: Die reine Vergabe von Aufträgen über den Preis des Angebots ist das Grundübel. 30 bis 40 Prozent der Ausschreibung sollten Qualitätskriterien sein. Aber die Zusammenarbeit nach der Vergabe ist auch ein Schlüssel zu geringeren Kosten. Es müssten partnerschaftliche Entwicklungsprozesse für Großprojekte eingeübt werden. Doch je größer das Bauunternehmen ist, desto mehr Gutachter und Rechtsanwälte sitzen mit am Tisch. Ich arbeite auch lieber mit kleinen und mittelständischen Firmen zusammen, weil diese noch eigenes, qualifiziertes Personal haben. Die Großen arbeiten mit Subunternehmen, die oft Schwierigkeiten haben, gute Leute zu finden.

 

Die Korrespondenten: Können Politiker als Aufsichtsräte solche komplexen Vorhaben überhaupt kontrollieren?


Schlegel: Politiker können solche Großprojekte nicht kontrollieren. Wenn sie ihre Aufsichtsratstätigkeit ernst nähmen, müssten sie die Kontrolle an ein Gremium aus Fachexperten delegieren.


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