Putenfleisch aus Discountern belastet

Umweltverband BUND findet auf neun von zehn Proben Keime, gegen die Penicillin und Co machtlos sind.

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Von Hanna Gersmann

12. Jan. 2015 –

Putenfleisch gilt als mager und gesund. Die Geflügelwirtschaft hat den Werbeslogan „Deutsche Pute. Die Gute“ ersonnen. Kunden greifen gerne zu: Im Schnitt verspeist jeder Deutsche im Jahr bis zu sechs Kilo Pute. Doch am Montag hat der Umweltverband Bund nun gewarnt: Auf Putenfleisch aus Discountern lauern Keime wie MRSA und ESBL-Bildner, gegen die Penicillin und Co nicht mehr helfen. Damit wachse die Gefahr, dass Antibiotika versagen.

Der Bund hat in zwölf Städten – darunter Dresden, Köln, Stuttgart, Mannheim - Testkäufer losgeschickt. Diese haben bei den Discountern Aldi, Lidl, Netto, Penny und Real abgepacktes, frisches Putenfleisch gekauft.  Das Labor Fen-Lab GmbH in Hamburg hat dann die insgesamt 57 Proben untersucht. Es handele sich nur um eine „Stichprobe, die nicht repräsentativ sei“, betonen die Tester. Sie verschaffe aber einen „Eindruck“.

Das Ergebnis: 88 Prozent der Proben waren mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Genauer: Bei 42 Proben fanden sich MRSA-Keime. 30 Proben wiesen ESBL-bildende Erreger auf. Zwar werde zumeist niemand direkt krank, wenn er sie sich einverleibe, erklärt BUND-Expertin Reinhild Benning: „Doch im Krankheitsfall könnten sie Antibiotika außer Gefecht setzen und MRSA-Keime können auch selbst schwere Infektionen auslösen, wenn sie bei der Fleischzubereitung etwa durch einen Ritz an der Hand in den Körper gelangen.“ Die deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene schätzt, dass schon heute 40.000 Menschen im Jahr so sterben.

Die Fleischproben kamen von den größten Fleischkonzernen in Deutschland, auch vom Marktführer: Die PHW Gruppe (Umsatz im Jahr 2013: 2,45 Milliarden Euro). Zu ihr gehört auch die Marke Wiesenhof. 21 Proben im Test kamen von der PHW-Gruppe, 20 waren belastet. Die PHW-Gruppe erklärte auf Anfrage dieser Zeitung, sie arbeite „permanent“ daran, den Antibiotikaeinsatz so gering wie möglich zu halten. Und: „In der Putenhaltung haben wir die Einsatzmenge allein im letzten Jahr um 20 Prozent gesenkt.“

Indes ist für den BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger klar: „Zu viele Tiere werden auf zu engem Raum gehalten, das ist nur unter Einsatz großer Mengen von Antibiotika möglich.“ Jedes Jahr, so Weiger, würden Antibiotika im Wert von 800 Millionen Euro in deutschen Ställen verabreicht. Der Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin sei doppelt so hoch wie in der Humanmedizin. Und dabei gelte: „Fünf Prozent der Tierärzte setzen 80 Prozent der Antibiotika-Verschreibungen in der Landwirtschaft um“. Wer die Antibiotika-Gabe verringern wolle, meint Weiger, müsse verbieten, dass Tierärzte beides seien – Mediziner und Apotheker.

Doch so weit geht die Bundesregierung bisher nicht. Zwar müssen seit April letzten Jahres Landwirte alle sechs Monate melden, welche Arzneien sie ihren Puten, aber auch Hühnern, Schweinen und Rindern geben. Und die Behörden können bei übermäßigen Dosen und Häufigkeit Gegenmaßnahmen anordnen. Doch der Antibiotika-Einsatz bleibt hoch.

In Nordrhein-Westfalen werden laut Daten des Landesumweltamtes 92 Prozent der Mastputen mit Antibiotika behandelt. In gut 20 Prozent aller Fälle handelt es sich mittlerweile um Reserveantibiotika, die eigentlich nur für den Notfall beim Menschen gedacht sind.

Andere Länder sind weiter. Die holländischen Nachbarn kommen nach Angaben der Umweltschützer pro Kilo erzeugtem Fleisch im Schnitt mit der Hälfte der deutschen Antibiotika-Gaben aus, die Dänen sogar mit einem Viertel. Weiger: „Es geht auch anders“.

Die Tester haben auch noch vier Proben bei Hofschlachtereien genommen, drei davon waren Ökobetriebe, einer ein herkömmlicher Betrieb mit Freilandhaltung. Antibiotikaresistente Keime  fanden sich nicht.

Kasten: Vorsorge in der Küche
Gefahr birgt nur rohes Fleisch. Um eine Übertragung von Keimen zu vermeiden, Keule, Bein oder Brustfilet immer vollständig erhitzen. Das rohe Geflügel sollte auch nicht mit anderen Lebensmitteln in Berührung kommen. Hände sowie Küchenutensilien wie Bretter und Messer zwischendurch immer gründlich waschen und spülen.  


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