Raketenstart verzögert sich
Abheben in der Nordsee wohl erst im Juli
04. Mai. 2024 –
Ein Prestigeprojekt der deutschen Industrie verschiebt sich. Im April sollte erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Rakete von einem Schiff in der Nordsee gen Weltraum starten. Doch wie oft in der Raumfahrt dauert es etwas länger. Ein neuer Termin ist jetzt für den Sommer angepeilt. Erstmals werden auch Einzelheiten bekannt.
Ein erster Test war für April vorgesehen.
„Der Start der Demo-Mission verzögert sich etwas“, sagt Sabine von der Recke, Geschäftsführerin der German Offshore Spaceport Alliance (Gosa), die das Projekt vorantreibt. „Wir mussten den Zeitplan anpassen, unter anderem, weil sich die Partner, die Raketen starten wollen, geändert haben.“ Der neue Termin liegt im Sommer. „Wir planen jetzt mit einem Start im Juni. Vielleicht dauert es auch bis Juli.“ Hinter Gosa stehen unter anderem der Satelliten-Spezialist OHB, bei dem von der Recke im Vorstand arbeitet, die Spezialreederei Harren Group und der Hafenbetreiber BLG, alle aus Bremen.
Zunächst werden bis zu vier sogenannte Suborbital-Raketen abheben. Sie erreichen eine Höhe von bis zu 50 Kilometern und verlassen die Erdanziehung nicht, stürzen also wieder zur Erde zurück. Sie werden üblicherweise für Experimente genutzt. Und auch für die Demo-Mission sind sie wichtig, weil sich vieles testen lässt, ohne dass die Kosten stark steigen. „Damit sammeln wir technische Erfahrungen und proben die Zusammenarbeit mit Partnern und Behörden“, sagt von der Recke. „Das hilft, für orbitale Starts, die deutlich komplexer sind, und Satelliten in eine Erdumlaufbahn bringen können.“
Die Raumfahrt wandelt sich seit ein paar Jahren – weg von vor allem staatlich finanzierten Missionen hin zu privaten Investitionen. Unternehmen entwickeln Satelliten und Raketen, versprechen sich Geschäft mit dem All, etwa über Satelliten-Schwärme, die Internet bieten oder die Erde beobachten oder Landmaschinen steuern. Allein den Markt für Satelliten schätzt die Beratungsfirma Novaspace bis 2032 auf 588 Milliarden Dollar (535 Milliarden Euro) weltweit.
Die Satelliten werden immer kleiner und günstiger, weil sie in Serie hergestellt werden. Und um sie ins All zu befördern und später auch zu ersetzen, sind viele Raketen nötig. Drei deutsche Firmen entwickeln sogenannte Microlauncher. Sie sind um die 30 Meter hoch und haben einen Durchmesser von rund zwei Metern – deutlich kleiner als etwa die Ariane 6 der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa mit ihren gut 63 Metern Höhe und 5,4 Metern Durchmesser. Und unabhängig von anderen Ländern zu sein, hatten mehrere deutsche Unternehmen die Idee, von der Nordsee aus zu starten.
Partner der Demo-Mission sind die dänische Studentengruppe DanStar, das Unternehmen T-Minus aus dem niederländischen Delft, das Space Team Aachen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen und der gemeinnützige Verein FAR, der unter anderem Höhenforschungsraketen entwickelt. T-Minus entwickelt Suborbitalraketen sowie Satelliten und bietet wissenschaftliche Tests an. Space Team Aachen baut Raketen, Rover und Satelliten.
Die Demo-Mission startet vom sogenannten Entenschnabel aus, dem äußersten Zipfel der Ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands in der Nordsee, etwa 400 Kilometer vor der Küste. Ein Schlepper wird eine Barge, eine Art Ponton ohne Motor, von Bremerhaven aus dorthin bringen. Geplant sind bis zu vier Raketenstarts, die größte ist 4,5 Meter hoch. Die Demo-Mission wird deshalb mehrere Tage dauern.
„Wir starten den Test von einem Ponton aus. Ein Schiff wäre für die kleineren Testraketen überdimensioniert“, sagt von der Recke. Das hat auch mit den Kosten zu tun, die die Gosa niedrig halten will. Darüber, wie viel die Partner für die Demo-Mission investieren, schweigt sich die Managerin aus. Klar ist dagegen bereits, dass der Startknopf auf einem Begleitschiff gedrückt wird. Auch wenn die Raketen eine eher übersichtliche Größe haben, ist es zu gefährlich, beim Start daneben zu stehen. Und genau genommen gibt es auch keinen Knopf, sondern einen Schalter, der umgelegt wird.
Unklar ist auch, was ein Start mit einer großen Rakete vom Spezialschiff ins All kosten wird. Denn er hängt von vielen Faktoren ab. Wie leicht sich etwa auf ein geeignetes Schiff zugreifen lässt, das in der Regel kurzfristig gechartert wird. Und was Rohöl kostet, schließlich muss das Schiff betankt werden.
Wichtig ist auch, ob es überhaupt Kunden für die Raketen gibt, die starten könnten. Im Gespräch sind die RFA One der Rocket Factory Augsburg und die SL1 von HyImpulse aus Neuenstadt am Kocher bei Heilbronn. Dritter Hersteller im Bunde ist Isar Aerospace aus Ottobrunn bei München mit der Spectrum genannten Rakete. RFA plant den Erststart im Sommer von Shetland aus, Isar Aerospace will ebenfalls noch dieses Jahr von Nordnorwegen starten. HyImpulse entwickelt noch.
Abheben ist nicht alles, deshalb denkt Gosa bereits weiter. „Bei dem Projekt geht es nicht nur um eine Startmöglichkeit auf deutschem Hoheitsgebiet“, sagt von der Recke. „Künftige Raketen sollen wiederverwertbar sein.“ Das bedeutet, sie müssen nach dem auch wieder zur Erde zurückkommen, wenn sie einen Satelliten in 400 Kilometer Höhe ausgesetzt haben. „In Europa ist eine Landung auf dem Festland wegen der dichten Besiedelung nicht möglich“, erklärt die Gosa-Managerin. „Deshalb bietet sich eine Landung auf einem Schiff an.“