Rechtfertigungsdruck auf Managergehälter

„Vorstand verdient das 100-Fache des durchschnittlichen Lohnes“ - solche Angaben sollen AGs bald veröffentlichen

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Von Hannes Koch

19. Nov. 2013 –

Wieviel ist akzeptabel? Dürfen Vorstände das 50-, 100- oder 200-Fache des normalen Beschäftigten verdienen? Solche Fragen muss sich das Spitzenpersonal von Aktiengesellschaften künftig wohl häufiger stellen. Denn Union und SPD wollen die Manager verpflichten, entsprechende Informationen zu veröffentlichen.

 

Auf diese Regelung hat sich die Arbeitsgruppe für Innen- und Justizpolitik bei den Koalitionsverhandlungen geeinigt. Teilnehmer sind unter anderem CDU-Politiker Wolfgang Bosbach und NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Demnach soll der Aufsichtsrat der jeweiligen Aktiengesellschaft „ein Maximalverhältnis zwischen der Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder und dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen festlegen“.

 

Endgültig beschlossen ist diese Regel aber noch nicht. Entscheiden muss am Schluss der Koalitionsverhandlungen die Spitzenrunde mit Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Setzen die Chefs nächste Woche ihre Unterschriften darunter, würde vermutlich 2014 das Aktiengesetz geändert. Unternehmen anderer Rechtsformen wären zunächst nicht betroffen. Zudem würde die Regelung auch nur für Vorstände, nicht aber alle Spitzenmanager von AGs gelten. Wie und wo die Angaben zu den Chefgehältern veröffentlicht werden, ist noch zu klären.

 

Der Vorstand von VW verdiente 2011 etwa das 170-Fache des durchnittlichen Lohns der VW-Beschäftigten, hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung errechnet. Das war Spitzenposition in Deutschland. Bei Siemens betrug die Arbeitnehmer-Manager-Lohnrelation 1 : 75 und bei der Deutschen Bank 1 : 34. Ganz unten rangierten die Vorstände der noch immer teilverstaatlichten Commerzbank – sie bekamen das Zwölffache ihrer Angestellten.

 

Unter anderem mit dem Argument, zu hohe Vorstandsgehälter seien sozial ungerecht, hatten einige christdemokratische Politiker, vor allem aber SPD und Gewerkschaften eine Begrenzung befürwortet. Von Dietmar Hexel, Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), stammt die Formulierung „atmender Deckel“. Soll heißen: Die Politik kann keine starre Obergrenze für Managergehälter festlegen, sondern die Unternehmen müssen selbst Relationen finden, die gesellschaftlich vermittelbar sind.

 

Auch andere Staaten diskutieren über Regeln für die hohe Bezahlung in Firmen. So stimmen die Schweizer am kommenden Sonntag über die „Volksinitiative 1 : 12 – für gerechte Löhne“ ab. Diese Initiative verlangt, dass in einem Unternehmen der höchste bezahlte Lohn nicht mehr als das Zwölffache des tiefsten betragen solle. In den USA schlägt die Börsenaufsicht SEC vor, dass die AGs eine Vorstandschef-Arbeiter-Lohnrelation benennen sollen. Beschlossen ist dies jedoch noch nicht.

 

Praktische Vorbilder existieren bislang nicht. DGB-Abteilungsleiterin Marie Seyboth glaubt aber, dass solche Vorschriften „mäßigend wirken, weil die Öffentlichkeit dann die relative Höhe der Vorstandsbezüge verschiedener Unternehmen leichter miteinander vergleichen kann. Besonders hoch bezahlte Vorstände geraten so unter zusätzlichen Rechtfertigungsdruck.“

 

Die Gegenposition vertritt unter anderem Ökonom Oliver Stettes vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln: „Zusätzliche Informationen über die Höhe der Vorstandsbezüge sind nicht notwendig, denn die Öffentlichkeit verfügt über die entsprechenden Angaben heute schon.“ Schließlich könne jeder Arbeitnehmer seinen eigenen Lohn mit den Vorstandsgehältern vergleichen, die die Geschäftsberichte der Firmen ausweisen. „Deshalb würde die neue Regelung wohl nicht die Wirkung entfalten, die die Befürworter erhoffen“, so Stettes.

 

Strittig ist zwischen Union und SPD eine weitere Gesetzesänderung. Die Sozialdemokraten wollen zusätzlich die Absetzbarkeit der Vorstandsgehälter von der Unternehmenssteuer begrenzen. Bei Verdiensten über 500.000 Euro pro Jahr müssten die Firmen dann einen größeren Teil aus ihrem Gewinn bezahlen – und würden die Chefbezüge deshalb möglicherweise reduzieren. Da will die Union aber nicht mitgehen.

 

Info-Kasten

Wortlaut

Die Arbeitsgruppe Inneres und Justiz der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD hat sich auf diesen Vorschlag geeinigt: „Um Transparenz bei der Feststellung von Managergehältern herzustellen, wird der Aufsichtsrat bei börsennotierten Unternehmen verpflichtet, ein Maximalverhältnis zwischen der Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder und dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen des jeweiligen Unternehmens festzulegen. Über die Vorstandsvergütung wird künftig die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats entscheiden.“

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