Regierungen drohen Steueroasen mit Strafen
18 Staaten beschließen in Berlin schärfere Maßnahmen gegen Steuerflucht. Schweiz will künftig mehr Informationen über Auslandskonten liefern
23. Jun. 2009 –
Der Schweizer Bundespräsident Hans-Rudolf Merz zeigte am Dienstag Größe. Bei der Konferenz gegen Steuerflucht in Berlin wies er Äußerungen von SPD-Chef Franz Müntefering „in aller Form“ zurück. Der hatte erläutert, früher sei man in Länder wie die Schweiz mit Soldaten einmarschiert. Andererseits tat Merz genau das, was die Bundesregierung mit solchen Reden bezweckte: Die Schweiz opfert einen guten Teil ihres Bankgeheimnisses, damit reiche Deutsche ihre Millionen nicht mehr südlich des Bodensees verstecken.
Künftig erhalten deutsche Finanzämter von Schweizer Banken Informationen über die Konten reicher Bundesbürger, wenn jene nur einen Anfangsverdacht auf Steuerhinterziehung hegen. Bislang mussten die Ämter Beweise vorlegen – was die Information über die Auslandskonten und damit auch die entsprechende Besteuerung in Deutschland verhinderte. Vermögende Bundesbürger wie Ex-Rennfahrer Michael Schumacher, die in der Schweiz minimale Steuern zahlen, müssen künftig einkalkulieren, dass sie höhere Rechnungen deutscher Finanzämter erhalten.
Der Abschluss des neuen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Berlin und Zürich kann zwar etwas dauern. Die Schweiz möchte noch „Explorationsgespräche“ führen. Dass es aber in nächster Zeit dazu kommen wird, steht außer Frage.
Nicht nur deshalb „sehen Sie erfreute Gesichter“, sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Bei der Berliner Konferenz gegen Steuerflucht zogen die Regierungen von 18 Staaten Bilanz: Innerhalb der vergangenen zehn Wochen hätten 40 Staaten beschlossen, Steuerflucht ins Ausland nicht länger zu tolerieren. „Das ist ein sehr großer Fortschritt in kurzer Zeit“, sagte Frankreichs Haushaltsminister Eric Woerth. Mittlerweile würden 84 Länder das Musterabkommen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) anerkennen. Damit verpflichten sich die Regierungen unter anderem, gegenseitig Informationen über verdeckte Kapitalanlagen zur Verfügung zu stellen.
Finanzminister Steinbrück hofft deshalb, künftig einige Hundert Millionen oder auch ein paar Milliarden Euro zusätzlicher Steuern in seinen Kassen zu verbuchen. Insgesamt, so schätzt das Ministerium, lägen etwa 100 Milliarden Euro deutschen Geldes unversteuert im Ausland.
Nicht nur wegen der Steuerausfälle, sondern auch durch die Finanzkrise haben die Aktivitäten gegen Steuerflucht in jüngster Zeit einen Schub erhalten. Die Regierungen stellten fest, dass sie über bestimmte risikoreiche Geschäfte transnationaler Investoren kaum im Bilde waren.
Die Berliner Konferenz beschloss daher, die OECD mit einem neuen Verfahren gegen Steuerflucht zu beauftragen. Regelmäßig soll die Organisation über Fortschritte und Rückschritte berichten. Erstmals will man auch koordinierte Sanktionen gegen Steueroasen verhängen. Eine Möglichkeiten: Investoren, die in Steueroasen sitzen, verlieren im Ausland bestimmte Steuervorteile. Eine andere Variante: Die Regierungen kündigen Abkommen mit den betreffenden Ländern.
Die schärferen Maßnahmen zielen im übrigen nicht nur auf Staaten, sondern auch auf einige Typen von Kapitalgesellschaften. Steinbrück nannte besonders „Trusts und Mantelgesellschaften“, die bislang keine Informationen über ihre Geschäfte lieferten.
Während man international Fortschritte macht, hakt das Verfahren in Deutschland. Steinbrück warnt die Union davor, sein Gesetz gegen Steuerflucht so zu verzögern, dass es vor der Bundestagswahl nicht beschlossen werde. Man wolle nicht blockieren, sondern habe nur wenige kleine Änderungen, heißt es bei der Union.