Reiche fordern Steuer statt Schulden

Bei den Koalitionsverhandlungen plädieren Millionäre für Vermögensteuer. 100 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr. Union und FDP planen Parallelhaushalt mit 60 Milliarden. CDU-Widerstand bricht zusammen

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Von Hannes Koch

21. Okt. 2009 –

Der Berliner Millionär Peter Vollmer würde der neuen Koalition aus Union und FDP gerne aus der Patsche helfen. Zusammen mit weiteren 42 „vermögenden Bürgerinnen und Bürgern“ forderte der 69jährige Vollmer die Regierung auf, eine neue Abgabe auf hohe Vermögen zu erheben, die dem Staat pro Jahr 100 Milliarden Euro bringen soll. Um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, protestierte die Initiative am Mittwoch vor der nordrhein-westfälischen Landesvertretung in Berlin, wo die Koalitionsverhandlungen auf die Zielgerade gingen.


Auf dem Gehweg breiteten die Millionäre eine große, braune Folie aus – sie symbolisierte das Haushaltsloch. Dann radelten Vollmer und zwei Mitstreiter mit Lastenfährrädern heran und warfen große Mengen grüner Spielgeldscheine in den imaginären Krater. Für „Umweltschutz, Bildung und Soziales“ sollen die riesigen Summen ausgegeben werden – wenn Union und FDP nur wollten. Aber die beiden Parteien wollen nicht, sie planen stattdessen weitere Steuersenkungen.


Vollmer – blaue Augen, weiße Haare, rheinischer Akzent – wundert sich über die Absurdität der Finanzpolitik. Allein seit Jahresbeginn, so sagt er, sei sein persönlicher Steuersatz um 20 Prozentpunkte gesunken – dank der Einführung der niedrigen Abgeltungssteuer auf Kapitalgewinne durch die große Koalition. Nun spare er ziemlich viel Geld – unnötigerweise. Denn als Erbe eines profitablen mittelständischen Betriebes könne er durchaus mehr Steuern zahlen.


Für Union und FDP ist das kein Thema. In den Koalitionsverhandlungen spielen höhere Steuern auf Gewinne und große Vermögen keine Rolle. Im Gegenteil geht es darum, die Steuern zu reduzieren – auch für Gutverdiener. „Wir wollen die nationalen Energiesteuersätze für das produzierende Gewerbe in dieser Legislaturperiode auf das Niveau der ersten Ökosteuerreform aus dem Jahr 1999 zurückführen“, heißt es beispielsweise im Ergebnispapier der Koalitionsarbeitsgruppe (Stand 17.10.), das dieser Zeitung vorliegt. Würde diese umgesetzt, müsste etwa die Stromsteuer für Unternehmen, die heute noch keine Ausnahmeregelung genießen, auf die Hälfte sinken.


Dies, die geplante Reduzierung der Einkommensteuer und andere Maßnahmen würden Milliarden Euro Kosten, die die neue Regierung wegen der Rekordverschuldung eigentlich nicht zur Verfügung hat. Deshalb berieten CDU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter, Hermann Otto Solms (FDP) und Kanzleramtschef Thomas de Maiziere (CDU) am Dienstag intensiv über den neuen Schuldenfonds.


Dafür werden augenblicklich zwei Varianten diskutiert. Erstens könnte die neue Regierungskoalition bis zu 60 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen und sie in einem Nachtragshaushalt für 2009 plazieren. Die Neuverschuldung in 2009 würde nicht die Haushalte der kommenden Jahre belasten, in denen die Ausgaben aufgrund der Schuldenbremse sinken müssen. Union und FDP wollen aus dem Fond die Defizite der Bundesagentur für Arbeit und der Krankenkassen bezahlen.


In der zweiten Variante würde der neue Fonds der Schuldenbremse sehr wohl unterliegen, weshalb viele CDU-Politiker diese Lösung wesentlich sympathischer finden. Der Fonds würde nicht aus dem Bundeshaushalt ausgestattet, sondern eigene Kredite aufnehmen, die er an die Bundesagentur weiterreichte. „Ein eventuelles Minus des Fonds muss irgendwann dem Bundeshaushalt zugerechnet werden“, sagt CDU-Fraktionsvize Michael Meister. „Auch in diesem Falle wirkt dann die Schuldenbremse. Die Politik entzieht sich also nicht der Konsolidierungserfordernis“, so Meister. Weil diese Lösung für die Regierung aber viel unbequemer ist, wird sie wohl nicht kommen.


Zum Fonds insgesamt sagte Meister am Mittwoch: „Die Einrichtung wird ernsthaft diskutiert, sie ist nicht unwahrscheinlich“. Nolens volens freundeten sich auch andere CDU-Politiker mit dem neuen Parallelhaushalt an, den sie am Vortag noch kritisiert hatten. Darauf, dass die Schuldenbremse erst ab 2011 greife, wies Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger hin. „Ich akzeptiere, dass bis dahin das alte Verfassungsrecht gilt, in dem Sondervermögen und Fonds möglich sind“, so Oettinger. Die Kritik aus der Union verstummte allerdings nicht völlig. So sagte der Chef der rheinland-pfälzischen CDU, Christian Baldauf, im Südwestrundfunk, er halte „nichts davon, mit dem Ziel neuer Schulden einen Sonderfonds aufzulegen“.

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