Reiche sollen Zwangsanleihen zeichnen

DIW rechnet mit Einnahmen von bis zu 230 Milliarden Euro

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Von Wolfgang Mulke

11. Jul. 2012 –

 



 

Die reichsten Deutschen sollen einen Teil der Staatsschulden übernehmen. Damit könnte der Staat nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bis zu 230 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. „Mit Zwangsanleihen und einmaligen Vermögensabgaben könnten Privathaushalte mit hohen Vermögen und Einkommen zur Refinanzierung und zum Abbau der Staatsschulden herangezogen werden“, schlagen die Forscher vor. Betroffen wären davon 4,4 Millionen Haushalte, acht Prozent der Bevölkerung.


Zwangsanleihen sind verpflichtende Kredite an den Staat. Diese Darlehen können auch verzinst und zurückbezahlt werden. Mit einer zusätzlichen Vermögensabgabe will das DIW den Schuldenstand senken. Beispiele für solche Sondersteuern gab es auch in Deutschland. 1913 wurde ein einmaliger Wehrbeitrag eingeführt, den jeder Bürger mit mehr als 10.000 Mark Vermögen oder mehr als 5.000 Mark Einkommen entrichten musste. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlangte der Staat eine Vermögensabgabe. 1952 gab es eine Zwangsanleihe für die Wirtschaft für Investitionen in die Grundstoffindustrien.


Das DIW will die Abgabe auf den wohlhabendsten Teil der Bevölkerung begrenzen. Dafür schlägt das Institut hohe Freibeträge vor. 250.000 Euro darf ein Alleinstehender, 500.000 Euro ein Paar besitzen, bevor der Fiskus zuschlägt. Für jedes Kind ist ein Freibetrag von 100.000 Euro vorgesehen. Von dem darüber hinaus vorhandenen Vermögen sollen die Reichen zehn Prozent abgeben. Hohe Freibeträge von bis zu fünf Millionen Euro für Unternehmensanteile und Beteiligungen sollen verhindern, dass dem Mittelstand finanziell die Puste ausgeht. Auch Immobilien, die gut die Hälfte der gesamten Vermögenswerte ausmachen, wollen die Forscher als Bemessungsgrundlage zu einem aktuellen Verkehrswert heranziehen.


„Die Umverteilung von Einkommen, die insbesondere in den letzten zehn Jahren von unten nach oben stattgefunden hat, würde wieder teilweise rückgängig gemacht“, erläutert DIW-Chef Gert Wagner. Die Einkommenszuwächse seien vor allem bei den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung gelandet und die Verteilung ungerechter geworden. Eine Sonderabgabe sei auch eine Zukunftsinvestition, weil der Staat Spielräume für Investitionen in Schulen oder Hochschulen erhalten würde.


Die Berliner Forscher halten Zwangsanleihen auch für ein sinnvolles Instrument für die Euro-Krisenländer. Zumeist würden die privaten Vermögen dort deutlich höher sein als der Schuldenstand des Staates. In Deutschland haben die Bürger nach Abzug aller Verbindlichkeiten fast das Vierfache der jährlichen Wirtschaftsleistung von 2,5 Billionen Euro angespart, in Italien 555 Prozent und in Frankreich 510 Prozent. Auch in Portugal, Griechenland und Spanien vermuten die Forscher sehr hohe Vermögen, die zum Kampf gegen die Verschuldungskrise herangezogen werden könnten.


Die Bundesregierung sieht derzeit jedoch keinen Bedarf für eine Vermögensabgabe. „Wir haben in Deutschland keine Probleme mit den Staatseinnahmen“, sagt der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus. Der Vorschlag könne für einige Länder aber interessant sein.


 

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