Rekordabgaben für Arbeitnehmer

Gute Konjunktur sorgt für übervolle Sozialkassen / Die Hoffnung auf langfristig sinkende Beiträge ist trotzdem trügerisch

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Von Wolfgang Mulke

12. Apr. 2012 –

Die Lohnerhöhungen der letzten Jahre werden durch steigende Abgaben aufgezehrt. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts bezahlten die Beschäftigten im Jahr 2011 durchschnittlich 9.943 Euro für die soziale Sicherung und die Lohnsteuer, gut 550 Euro mehr als im Jahr zuvor und so viel wie noch nie. Der um die Teuerungsrate bereinigte Nettoverdienst ging im Durchschnitt um 16 Euro auf 17.650 Euro zurück.


„Die weitaus größten Effekte haben die Lohnsteuerentwicklung und Veränderungen bei den Beiträgen zur Krankenversicherung“, erläutert das Bundesarbeitsministerium (BMAS). Jeder Arbeitnehmer zahlte rechnerisch 300 Euro mehr Steuern als 2010. Da mit steigenden Einkünften auch der Steuertarif höher wird, frisst die so genannte kalte Progression einen Teil der Lohnerhöhungen von 3,3 Prozent wieder auf. Dazu sind die Krankenkassenbeiträge um 0,6 Prozent erhöht worden. Unter dem Strich blieb den Beschäftigten daher weniger Netto von Brutto in der Tasche.


Die gute Lage am Arbeitsmarkt führt auf der anderen Seite bei den Sozialversicherungen für übervolle Kassen. Die Bundesstatistiker haben für 2011 einen Überschuss von fast 14 Milliarden Euro berechnet. Die Rentenversicherung nahm 4,4 Milliarden Euro mehr ein als an Altersbezügen ausbezahlt wurde. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erwirtschaftete ein Plus von 9,3 Milliarden Euro und auch die Pflegeversicherung schrieb schwarze Zahlen. Nur die Bundesagentur für Arbeit weist ein leichtes Minus von 100 Millionen Euro aus. Insgesamt summieren sich die Einnahmen der Sozialkassen auf 526 Milliarden Euro, 2.2 Prozent mehr als 2010. „Der Anstieg wurde maßgeblich durch die positive konjunkturelle Entwicklung bestimmt“, stellen die Statistiker fest.


Die Hoffnung auf eine dauerhafte Stabilisierung der Sicherungssysteme ist indes trügerisch. Im Wahljahr 2013 werden lediglich die Rentenbeiträge zwischenzeitlich gesenkt. Wahrscheinlich kostet die Altersvorsorge im kommenden Jahr 19,2 Prozent statt derzeit 19.6 Prozent. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sparen also je 0,2 Prozentpunkte. Das macht bei einem Bruttoverdienst von 2.000 Euro im Monat auf das Jahr gerechnet 48 Euro aus. Doch schon in den nächsten Jahren wird sich das Blatt wieder wenden, weil nach und nach weniger Beitragszahler mehr Rentner finanzieren müssen. Die Prognosen der Bundesregierung sehen für das Jahr 2020 zwar noch einen Satz von unter 20 Prozent vor. Bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts wird er jedoch auf 22 Prozent ansteigen - trotz der längst beschlossenen Absenkung des Rentenniveaus.


In anderen Versicherungssparten sieht es ähnlich aus. Besonders auf die Pflegeversicherung kommen enorme Herausforderungen zu. Die Zahl der Bedürftigen liegt noch bei rund 2,5 Millionen. Bis Ende des Jahrzehnts rechnet das Gesundheitsministerium mit 2,8 Millionen und kurz darauf mit über drei Millionen. Da sich Pflegeleistungen zudem tendenziell verteuern werden, wird die Vorsorge für alle teurer. Bei der Krankenversicherung wachsen die Ausgaben ebenfalls weiter an. Sie wollen die Überschüsse deshalb lieber für schlechtere Zeiten zurücklegen als die Beiträge zu senken oder Prämien an ihre Mitglieder auszuzahlen.

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