Resteverwerter der Finanzkrise
Seit 2010 wird die Hypo Real Estate abgewickelt
10. Apr. 2024 –
Für die Bundesrepublik ist der Vorgang beispiellos: Ende März 2009 steigt der Staat bei der Hypo Real Estate (HRE) ein, wenige Monate später ist die Bank verstaatlicht. Und noch heute, 15 Jahre später, arbeiten in München mehrere hundert Beschäftigte daran, die Reste des einst mächtigen Kreditinstituts abzuwickeln. Ein Ende ist bisher nicht abzusehen.
„Wir blicken auf ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr zurück“, sagt Christoph Müller, Vorstandssprecher der FMS-Wertmanagement, als er die Zahlen für 2023 vorlegt. FMS steht für Finanzmarktstabilität. Der etwas spröde Name bezeichnet genau, womit sich die Firma in München beschäftigt, seit sie der Staat 2010 gegründet hat: Das, was die HRE an Geschäft hatte, möglichst gewinnbringend zu verkaufen.
175,7 Milliarden Euro war das Geschäft, mit dem die Abwickler starteten, auf dem Papier wert. Inzwischen sind es nur noch 44,4 Milliarden Euro. Allein im vergangenen Jahr verkauften sie Anlagen im Wert von fünf Milliarden Euro. Im laufenden Jahr sollen Papiere für weitere fünf bis sechs Milliarden Euro verkauft werden – an Investoren, die darin ein Geschäft sehen. Interessenten gebe es viele, sagt Vorstandsmitglied Carola Falkner.
Die HRE hatte vor allem Kredite ausgegeben und Anleihen übernommen – weltweit: für Gewerbeimmobilien, für staatliche Infrastruktur wie Autobahnen, Brücken, Häfen, für Kommunen und Regionen. Sie beschaffte sich Geld, um die Kredite überhaupt vergeben zu können. Und sie sicherte die Kredite mit komplexen Finanzgeschäften ab. Klassisches Geschäft eben. Dann kommt die Krise.
2008 sieht es sehr eng aus für das weltweite Finanzsystem. In den USA können viele ihre Immobilienkredite nicht mehr bezahlen, Banken geraten in Schieflage. Drei Institute hat die US-Regierung gerettet, die Investmentbank Lehman Brothers aber geht bankrott. Weltweit vertrauen sich Kreditinstitute nicht mehr, leihen sich kein Geld. In Deutschland trifft es die HRE. Der Bund verstaatlicht die Bank 2009, um Schlimmeres zu verhindern.
Ursprünglich sollte die FMS sich bis 2020 überflüssig machen. Doch die Aufgabe war schwieriger als zunächst gedacht. Dann wurde über 2025 nachgedacht. derzeit sieht es aber aus, als bestünde das Abwicklungsunternehmen länger. Chef Müller spricht zwar von großen Fortschritten beim Verkauf, aber es wird eben auch immer schwieriger. Denn das, für das sich leicht Interessenten finden, ist bereits weg.
Was noch da ist, hat eine komplizierte Struktur oder läuft sehr lange. Einiges wird erst nach 2060 fällig, teils 2078. Der Markt für solches Geschäft ist eher illiquide, wie Falkner sagt – im Klartext: Niemand will es haben. Dann ist da die Zeit, aus der die Produkte stammen: „Viele wurden vor der Finanzkrise erstellt, daran hängen komplizierte Sicherungsgeschäfte“, sagt Falkner. Investoren heute, gerade bei den hohen Zinsen, bevorzugten einfache Produkte.
Müller, Falkner und das Team von rund 216 Beschäftigten arbeitet auch daran, das eigene Geschäft zu vereinfachen. Statt mit fast 3200 Kunden hat das Unternehmen nur noch mit 421 in 28 statt 66 Ländern zu tun, vor allem in der EU. Von Vorteil ist, dass die Schuldner größtenteils einen staatlichen Hintergrund haben, ihre Bonität gut oder sehr gut ist. Und das Unternehmen verdient Geld mit den alten HRE-Papieren.
Allein 2023 betrug der Gewinn 96 Millionen Euro. Chef Müller rechnet mit weiterem Gewinnen in den kommenden Jahren. Seit 2012 kamen insgesamt rund 2,42 Milliarden Euro zusammen, die das Unternehmen in die Rücklagen steckte. Ob der Bund noch einmal Geld nachschießen muss oder die Reste der HRE zumindest eine schwarze Null liefern, ist offen. Denn in den Tiefen der Bücher schlummern noch stille Lasten von 9,6 Milliarden Euro – der Unterschied zwischen dem Wert, den bestimmte Papiere einmal hatten, und dem, der in den Büchern steht. Still sind die Lasten, weil sie erst zum Tragen kommen, wenn etwa die gesamte FMS an einen Käufer gehen sollte.
Deshalb rechnet der Vorstand jetzt damit, dass die HRE-Reste auch die kommenden Jahre noch abgewickelt werden. Ein konkretes Enddatum will Müller nicht nennen. Dafür ist dann doch alles etwas unsicher.