Ruf nach Gesetz für sozialere Textilproduktion

Über 1.100 Beschäftigte starben, als die Textilfabrik Rana Plaza einstürzte. Kritiker fordern ein Gesetz für Firmenpflichten

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Von Hannes Koch

20. Apr. 2016 –

Am nächsten Sonntag, dem 24. April, jährt sich die Katastrophe zum dritten Mal. Beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 starben über 1.100 Menschen, über 2.400 wurden verletzt. Doch noch immer hat die Bundesregierung keine gemeinsame Antwort gefunden, wie sie die Zustände in den Zulieferfirmen der Bekleidungskonzerne verbessern will.

 

In dem achtstöckigen Fabrikkomplex bei Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, wurden auch Textilien für deutsche Geschäfte gefertigt. Das Gebäude war illegal aufgestockt worden und brach deshalb zusammen. Der Unfall zeigte, wie gefährlich die Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion waren und oft noch sind. Unternehmen wie H&M, KiK, Aldi oder Primark gerieten unter Druck.

 

Für Fortschritte sorgen soll auch der „nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“, an dem die Bundesregierung arbeitet. Im kommenden Mai sei der Beschluss des Kabinetts zu erwarten, heißt es aus dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Regelmäßige Kontrollen der Gebäudesicherheit, ausreichende Notausgänge, wirksamer Brandschutz, Einhaltung der Maximalarbeitszeit, existenzsichernde Löhne – solche Standards sollen die Textilkonzerne, die in Deutschland verkaufen, künftig einhalten.

 

Die Frage ist jedoch, ob die Regierung die Firmen nur auffordert, das zu tun, oder ob sie sie mit einem Gesetz zwingt. Christoph Strässer (SPD), der ehemalige Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt, sagt: „Der Aktionsplan muss verbindliche Regeln für die Sorgfaltspflichten der Unternehmen enthalten. Außerdem brauchen wir die Option eines Gesetzes.“ Währenddessen sperrt sich das Wirtschaftsministerium gegen zu harte Vorschriften.

 

Die Organisationen Amnesty International, Brot für die Welt, Germanwatch und Oxfam, die sich für die Beschäftigten der Zulieferfabriken einsetzen, halten die Linie der Regierung für insgesamt zu weich. Sie fordern die Bundesregierung auf, sofort ein Gesetz zu machen. „Die Erfahrung hat gezeigt: freiwillige Sozial- und Umweltstandards reichen nicht aus“, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Präsidentin von Brot für die Welt. „Die meisten Unternehmen werden erst dann wirklich aktiv, wenn man sie rechtlich dazu verpflichtet.“ Die Organisationen haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in Deutschland ansässige Unternehmen erstmals verpflichten würde, wesentliche menschenrechtliche Risiken in ihren Auslandsgeschäften zu prüfen und ihnen vorzubeugen.

 

Auch Renate Künast, die grüne Vorsitzende des Verbraucherausschusses im Bundestag, fordert schärfere Regeln. „Die Bundesregierung hat bis jetzt nur freiwillige Vorschläge für Deutschland gemacht. Es muss aber auf europäischer Ebene eine Richtlinie geben, um Transparenz- und Sorgfaltspflichten in der gesamten Textilproduktion durchzusetzen. Verbraucher haben das Recht, zu wissen.“

 

 

Unabhängig von der Debatte über den Aktionsplan hat der Rana-Plaza-Schock aber einige Fortschritte ausgelöst. Beispielsweise organisierte CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller das Textilbündnis, dem mittlerweile 180 Organisationen und Unternehmen beigetreten sind – auch einige große der Branche wie Adidas und Puma. Sie einigten sich darauf, beispielsweise existenzsichernde Löhne in den Zulieferfabriken zu zahlen. Einen Zeitplan gibt es dafür freilich nicht. Trotzdem macht auch die Kampagne für Saubere Kleidung im Textilbündnis mit.

 

Das BMZ erklärt, mit seiner Unterstützung seien unter anderem über 750 Fabriken in Bangladesch beraten worden, wie sie die sozialen und ökologischen Bedingungen verbessern können. Außerdem habe man dort geholfen, 300 Arbeitsinspektoren auszubilden, damit die Firmen das Arbeitsgesetz respektieren.

 

Die Frage der Entschädigungen für die Familien der Opfer von Rana Plaza ist inzwischen geklärt. Unter anderem Firmen, die dort produzieren ließen, überwiesen 26,5 Millionen Euro an die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf. Die Auszahlung an die Hinterbliebenen und Verletzten ist noch im Gange.

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