Sachverständige für 100 Prozent Ökostrom

Neue Kohlekraftwerke und längere Laufzeiten unnötig

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Von Wolfgang Mulke

05. Mai. 2010 –

Bis Mitte des Jahrhunderts kann die Elektrizitätserzeugung vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Zu diesem Schluss kommt der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät. „Deutschland kann im Jahr 2050 zu hundert Prozent klimaschonend mit Strom aus erneuerbaren Energie versorgt werden“, sagt der Vorsitzende des Gremiums, Martin Faulstich. Der Rat hat ein für den Herbst geplantes Gutachten frühzeitig veröffentlicht, damit die Ergebnisse in das von der Bundesregierung geplante Energiekonzept einbezogen werden können.

 

Das wichtigste Resultat der Studie steht der Politik der Koalition allerdings entgegen. „Weder eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken noch der Bau neuer Kohlekraftwerke sind notwendig“, heißt es im Gutachten. Selbst bei den Kosten sind die regenerativen Energiequellen bald günstiger als herkömmlicher Strom. Trotz der noch notwendigen hohen Investitionen in den Netzausbau, in Speicherkraftwerke, Wind- und Sonnenanlagen wird Ökostrom ab dem Jahr 2030 preiswerter sein als die Energie aus Kohle- und Kernkraftwerken. Je nach Modell kostet die Produktion einer Kilowattstunde Ökostrom im Jahr 2050 zwischen sieben und acht Cent.

 

Selbst eine rein nationale Versorgung mit Ökostrom lässt sich nach Berechnungen des Rates auf die Beine stellen. Gerechnet haben die Forscher allerdings vor allem zwei andere Varianten. Bei der einen kooperiert Deutschland mit skandinavischen Ländern. Der bei langem Sonnenschein oder starken Winden im Übermaß erzeugte und nicht benötigte Strom soll in den Nordländern gespeichert und bei einem zu geringen Ertrag der Ökoanlagen wieder abgerufen werden. Die zweite wichtige Variante bezieht alle europäischen Länder sowie die Regionen Nordafrikas in das Verteilnetz ein. Dies würde zu Kostensenkungen führen.

 

Nach Angaben der Forscher würden selbst mehrere Wochen Windstille keine Stromknappheit auslösen. Weder die Atomkraft noch moderne Kohlekraftwerke mit Abscheidung des klimagefährdenden CO2 wären nach diesen Szenarien für die Übergangszeit vonnöten. „Die Brücke ist schon da“, erläutert Faulstich. Bis Anfang der 40er Jahre können die letzten herkömmlichen Anlagen vom Netz genommen werden.

 

„Die Weichen müssen jetzt gestellt werden“, fordert Ratsmitglied Olav Hohmeyer. Vor allem der Ausbau der Netzes und internationale Abkommen mit möglichen Speicherländern sollten schnell angegangen werden. Fehlende Stromleitungen sind ein wesentliches Hindernis für den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn die auf See geplanten Windanlagen sollen Elektrizität für den Westen und Süden Deutschlands produzieren. Dazu werden allerdings Netzverbindungen von der Küste bis tief ins Inland gebraucht. Darüber hinaus plädieren die Wissenschaftler für einen stärkeren Neubau von Ökostromanlagen und eine Akzeptanzkampagne in der Bevölkerung, damit der Widerstand gegen den Bau von Transportleitungen schwindet.

 

 

 

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