Satte Preissteigerung beim Festtagsschmaus

Gänse, Kohl und Kartoffeln kosten deutlich mehr. Hohe Inflation bei Kuchen

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Von Björn Hartmann

14. Dez. 2022 –

Weihnachten trifft sich die Familie. Es ist Zeit, miteinander zu reden, zu spielen, sich zu streiten und auch festlich zu essen. Dieses Jahr fällt der Schmaus möglicherweise etwas weniger üppig aus als 2021 – die Inflation verteuert Gänsebraten, Heringssalat und Kuchen deutlich mehr, als die offizielle Inflationsrate zeigt, die das Statistische Bundesamt berechnet hat.

Um zehn Prozent sind die Preise zwischen November 2021 und November 2022 offiziell gestiegen. Experten erwarten auch für Dezember ähnlich hohe Werte. Die Zahl berechnen die Statistiker aus Preisen von 645 Warengruppen, von Miete über Bohnenkaffee, Versicherungen und Theaterkarten bis zu Strom und Autoreparaturen. Jedes dieser Produkte geht nach einem bestimmten Schlüssel in die Statistik ein – Miete hat zum Beispiel ein großes Gewicht, Eier ein kleines. Doch für den Einkauf und das Essen über die Feiertage sind Eier wichtiger als Reparaturkosten oder Miete.

Wer einen Birnenkuchen backen will, merkt das deutlich im Portemonnaie. Weil Eier, Butter, Zucker, Mehl und Schokotropfen teurer geworden sind, kostet ein einfacher Birnenrührkuchen mit den Zutaten vom Discounter plötzlich 3,90 Euro statt 3,20 Euro wie vor einem Jahr. Macht 22 Prozent Inflation.

In vielen Haushalten kommt Heiligabend oder am ersten Weihnachtsfeiertag ein Gänsebraten auf den Tisch, je nach Region mit Rotkohl, Rot- oder Blaukraut sowie Kartoffeln oder Klößen. „Ein Kilo deutsche Gans kostet derzeit zwischen 16 und 20 Euro, etwa 15 Prozent mehr als im vergangenen Jahr“, sagt Lorenz Eskildsen, Vorsitzender des Bundesverbandes bäuerliche Gänsehaltung. „Darin spiegeln sich höhere Mindestlöhne, und die Mehrausgaben für Energie und vor allem Futter wider.“

Eine Gans wiegt einige Kilo, da sind 90 Euro schnell ausgegeben. Wahrscheinlich ist auch das ein Grund, warum nur gut ein Sechstel der in Deutschland verkauften Gänse auch tatsächlich in Deutschland aufgezogen wurden. Die meisten Tiere oder vielmehr Brust und Keule kommen aus Polen und Ungarn.

Der Preis der Importware ist deutlich geringer. Im vergangenen Jahr kostete das Kilo um die fünf Euro. „In Ungarn werden viele Tiere für die Zwangsmast zur Herstellung von Stopfgänsen gehalten“, sagt Eskildsen. „Keule und Brust gehen als Nebenprodukt in den Export nach Deutschland.“ Und sind entsprechend billig. Jedenfalls im Vergleich zur deutschen Freilandgans. „Der Preis für Importgans hat sich auf gut zehn Euro verdoppelt“, sagt der Gänsespezialist. Anders gesagt: 100 Prozent Inflation.

Zum einen sind da die Futterpreise, die wegen des Kriegs in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland gestiegen sind, beides wichtige Lieferländer. Zum anderen ist da die Vogelgrippe, die das Angebot an Tieren verringert hat. In die offizielle Statistik fließt das alles nur in verschwindendem Maße ein. Die Bundesbürger aßen im vergangenen Jahr 55 Kilogramm Fleisch pro Kopf, davon 0,3 Gramm Gänsefleisch – überwiegend im Dezember.

Auch bei der Beilage muss mehr ausgegeben werden: Kohl kostet inzwischen 23,1 Prozent mehr als vor einem Jahr. Und bei Kartoffeln ermittelten die Statistiker des Bundesamtes 28,2 Prozent. Zwar gibt es das Kilo beim Discounter ab um die 70 Cent, bessere Qualität kann aber auch fast drei Euro je Kilo kosten. Kloßmasse ist für gut zwei Euro zu haben – dennoch im Schnitt ein plus 24,10 Prozent.

Nicht immer lässt sich direkt erkennen, dass ein Produkt teurer ist. So kostet manches immer noch genauso viel wie vor einem Jahr, etwa Gummibärchen. Die Tüten enthalten aber oft weniger der bunten Leckereien. Oder Salami: gleiche Verpackung, gleicher Preis, gleiche Zahl Scheiben, die aber dünner als vorher sind. Hersteller können auch die Rezeptur eines Produkts ändern, teuren Kakao etwa durch billigeren Zucker ersetzen. Oder Sahne in Eis durch Palmöl Äußerlich sieht das Produkt dann genauso aus wie immer. Das alles ist rechtlich in Ordnung.

Und dann ist da noch das Gewinnstreben. Der ein oder andere nutzt aus, dass niemand so recht überblicken kann, ob das Preisplus gerechtfertigt ist. „Wir haben den Eindruck, dass es bei einzelnen Lebensmittelhersteller und Händlern Mitnahmeeffekte gibt“, sagt Frank Waskow, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Die höheren Preise vieler Produkte lassen sich nicht allein mit gestiegenen Energiepreisen, den Folgen des Kriegs in der Ukraine und Lieferengpässen erklären. Da will offenbar das ein oder andere Unternehmen die Marge verbessern.“ Beweisen ließe sich das nicht. Dafür seien die Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Händlern nicht transparent und nachvollziehbar.

Wer also sparen will in diesem Jahr, könnte auf Gans verzichten und zum Beispiel auf etwas Einfaches setzen. Heringssalat zum Beispiel, auch ein Klassiker zum Fest in vielen Familien. Doch Matjes kostet pro Kilo je nach Region und Händler auch mindestens um zehn Euro – tatsächlich 20,8 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Ganz kann niemand der Inflation bei Lebensmitteln entkommen: „Alle sind teurer geworden“, sagt Waskow. „Einzige Ausnahmen derzeit: frische Birnen und süße Mandelsplitter.“ Das ist dann doch nicht feierlich genug.

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