Schäubles doppelte Verteidigung

Regierung hält an Einsparungen fest – trotz besserer Konjunktur und sinkender Verschuldung

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Von Hannes Koch

04. Jul. 2010 –

Trotz besserer Wirtschaftsaussichten und damit geringerer Neuverschuldung will die Bundesregierung an ihrem Sparkurs festhalten. Dies geht aus den Zahlen für den neuen Finanzplan der Bundesregierung bis 2014 hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Finanzielle Spielräume seien weder für eine niedrigere Einkommenssteuer noch für Abschwächungen beim geplanten Sparpaket vorhanden, heißt es in Regierungskreisen.


Am kommenden Mittwoch (7.7.) will das Kabinett den Entwurf für den Bundeshaushalt 2011 und die Planung bis 2014 beschließen. Vor allem die Unionsspitze will dabei die Chance nutzen, die sich aus ihrer Sicht gegenwärtig bietet. International gebe es ein „Momentum“ dafür, die Staatsschulden zu verringern. Deshalb betont die Regierung, die Schuldenbremse unbedingt einhalten und die Neuverschuldung bis 2016 auf nahe Null verringern zu wollen. Dieser Weg sei "alternativlos", behauptet die Regierung in ihrer Kabinettsvorlage.


Das Bundesfinanzministerium geht nun davon aus, dass die Neuverschuldung in diesem Jahr nicht mehr 80 Milliarden Euro, sondern nur noch 65 Milliarden betragen könnte. 2011 soll sie bei 57,5 Milliarden, 2012 bei 40,1 und 2014 bei 24,1 Milliarden Euro liegen.


In der relativ geringeren Neuverschuldung spiegelt sich, dass die Wirtschaft allmählich wieder anzieht. Die Unternehmen verzeichnen mehr Aufträge und stellen Leute ein, wodurch unter anderem die Kosten für die Arbeitslosigkeit zurückgehen. Verursacht durch die Finanzkrise, markiert die Summe der neuen Kredite trotzdem ein Rekordniveau.


Gelingt es, die neuen Schulden planmäßig zu reduzieren, würde der Bund 2016 die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse einhalten und Kredite von maximal 0,35 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung aufnehmen. Das wären dann etwa noch zehn Milliarden Euro Neuverschuldung.


Die Finanzplanung bis 2014 legt fest, dass das strukturelle Defizit jährlich um rund sieben Milliarden Euro sinken soll. Bis vor kurzem war Finanzminister Wolfgang Schäuble noch von zehn Milliarden Euro pro Jahr ausgegangen. Um diese Einsparung zu erwirtschaften, hat die schwarz-gelbe Koalition unlängst ihr Sparprogramm beschlossen. Für 2011 wollen Union und FDP elf Milliarden Euro im Bundeshaushalt erwirtschaften, in dem sie unter anderem 4,3 Milliarden bei den Arbeitslosen sparen.


Trotz der geringeren Neuverschuldung will die Regierung daran nun festhalten – entgegen der Kritik von Sozialverbänden, Gewerkschaften, SPD, Grünen und Linken. Auch in die andere Richtung, gegenüber der FDP, verteidigt sich Schäuble. Die Liberalen würden gerne die Einkommenssteuer senken. Der Finanzminister sieht dieses Anliegen sehr skeptisch.


Sollte Schäuble doch noch finanziellen Spielraum entdecken, so hat sein Haus die folgende Prioritätenliste aufgestellt. Erst werden die Städte und Gemeinden steuerlich entlastet, zweitens kann man über eine „Vereinfachung“ des Steuersystems nachdenken, was möglicherweise auf leichte Steuersenkungen hinauslaufen würde. Drittens erst käme in Frage, die Sätze der Einkommenssteuer zu reduzieren, wie es die FDP wünscht.


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Strukturelles Defizit

Das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt ist immer etwas geringer als die tatsächliche Neuverschuldung. Der Grund: Konjunkturelle, kurzfristige Entwicklungen werden herausgerechnet. Das strukturelle Defizit ist die Basis für die Berechnung der Schuldenbremse. Von 53 Milliarden Euro in diesem Jahr soll es auf 46 Milliarden in 2011, 2012 auf 39 Milliarden und 2014 auf 25 Milliarden sinken.

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