Schäubles Plan gerät durcheinander

Internationale Finanzmarkt-Konferenz in Berlin: Der Bundesfinanzminister muss sich plötzlich mit der ungeliebten Finanztransaktionssteuer anfreunden. Und die Finanzaufsicht verbietet über Nacht eine ganze Sorte spekulativer Geschäfte

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Von Hannes Koch

19. Mai. 2010 –

Seit dem Beginn der Finanzkrise redete die Bundesregierung viel darüber, die Märkte einzuhegen. Mit der vorübergehenden Beruhigung der Krise schien allerdings der politische Eifer zu erlahmen. Nun muss plötzlich vieles wieder sehr schnell gehen. So steht bei der internationalen Finanzmarkt-Konferenz, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute in Berlin veranstaltet, nicht mehr die kleine Bankenabgabe, sondern die umfangreiche Besteuerung der Investoren im Mittelpunkt.


Schäubles ursprünglicher Plan sah anders aus. Bei der Konferenz, an der unter anderem EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier und die französische Finanzministerin Christine Lagarde teilnehmen, wollte Schäuble eigentlich für die Idee einer begrenzten Bankenabgabe werben. Die Finanzinstitute würden damit verpflichtet, relativ kleine Summen in einen Versicherungsfonds einzuzahlen, um für künftige Krisen vorzusorgen. Der Finanzminister wollte die Berliner Konferenz als Zwischenschritt auf dem Weg zum Gipfel der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen Ende Juni in Toronto nutzen und die bei der Bankenabgabe zögerliche kanadische Regierung zum Einlenken bewegen.


Die öffentliche Debatte über die Beinahe-Pleite Griechenlands hat diesen Plan allerdings über den Haufen geworfen. Zu seinem Leidwesen sieht Schäuble nun die Position der französischen Finanzministerin gestärkt, die sich schon bei ihrem vergangenen Besuch in Berlin für die weitergehende Besteuerung der Banken eingesetzt hatte. Auch im Kreis der europäischen Finanzminister ist die Finanztransaktionssteuer, die in Europa 100 Milliarden Euro pro Jahr oder mehr einbringen könnte, auf der Agenda weiter nach oben gerutscht. Das ist unter anderem auf den Druck kleinerer EU-Mitglieder wie Österreich zurückzuführen.


Währenddessen hat die deutsche Bankenaufsicht (BaFin) eine ganze Kategorie spekulativer Transaktionen verboten. Einstweilen bis zum 31. März 2011 dürfen Investoren keine ungedeckten Leerverkäufe für Staatsanleihen der Eurozone mehr tätigen. Bei diesen Geschäften haben Investoren bislang Anleihen beispielsweise Griechenlands verkauft, die sie gar nicht besaßen (siehe Kasten). Viele ExpertInnen hegen den Verdacht, dass durch die Wetten der Kurs der Staatsanleihen stark sank. Umgekehrt seien die Zinsen gestiegen, die Griechenland für seine Verschuldung zahlen musste. Im Ergebnis hätten die Investoren das Mittelmeerland an den Rand des Staatsbankrotts getrieben.


Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht begründete das Verbot am späten Dienstag Abend unter anderem damit, dass die gefährlichen Geschäfte mittlerweile auch andere Euro-Staaten wie Spanien und Portugal bedrohten. Außerdem untersagte die Anstalt ungedeckte Leerverkäufe von Aktien unter anderem der Deutschen Bank, der Commerzbank und der Allianz-Versicherung. Da diese Institute große Mengen Staatsanleihen gefährdeter Länder halten, könnten auch ihnen Spekulationsattacken drohen.


Bereits absehbar ist, dass diese Eingriffe nicht die letzten sein werden. EU-Binnenmarktkommissar Barnier kündigte bereits an, dass auch die Rating-Agenturen einen strengeren Rahmen erhalten sollen. Die Agenturen, deren oft falsche Bewertungen für die Bankenkrise mitverantwortlich waren, müssen sich zwar ab diesem Jahr bei der Finanzaufsicht registrieren lassen. Weil die Ratingfirmen mit ihren Bonitätsgutachten aber auch die Staatsanleihen verschuldeter Staaten unter Druck setzen, reicht die bloße Registrierung manchen Politikern nicht mehr aus.


Shorty

Verbot von Leerverkäufen

Die Bankenaufsicht BaFin hat ungedeckte Leerverkäufe von Staatsanleihen der Eurozone untersagt. Bei derartigen Geschäften verkauft ein Investor einem anderen eine Aktien oder Anleihe, die er gar nicht besitzt. Der Preis beträgt beispielsweise 100 Euro pro Stück. Zugleich wird ein Liefertermin vereinbart, der meist wenige Tage später liegt. Dahinter steht die Hoffnung, dass der Kurs des Papiers zwischenzeitlich fällt. Dann kann der Investor die Papiere zu einem günstigeren Preis kaufen (beispielsweise 90 Euro) und weiterreichen. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis ist der Gewinn des Investors. Das Geschäft kann aber auch schiefgehen. Dann nämlich, wenn der Kurs nicht wie erwartet fällt, sondern steigt. Der Investor muss die Aktien zum höheren Kurs kaufen, um sie zurückzugeben. Um sich vor Verlusten zu schützen, schließen die Anleger oft Versicherungen auf Leerverkäufe ab. Ungedeckte Ausfallversicherungen, so genannte Credit Default Swaps (CDS) auf Euro-Staatsanleihen, hat die BaFin ebenfalls verboten.


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