Schäubles Schlafmützenpolitik
Kommentar zur Steuerschätzung von Hannes Koch
08. Mai. 2014 –
Lethargie macht sich breit zwischen Bundesfinanzministerium und Bundeskanzleramt in Berlin. Die aktuelle Finanzpolitik ist ein Beispiel dafür. Wie war die offizielle Reaktion aus Schäubles Haus auf die Steuerschätzung und die höheren Steuereinnahmen? Sinngemäß: Nun mal ganz langsam, das zusätzliche Geld ist gar kein zusätzliches Geld, uns sind die Hände gebunden. So ist es, wenn die Partei, die die Regierung beherrscht, dem nächsten Wahlsieg in drei Jahren entgegendämmert.
Schäubles Finanzpolitik zeigt: Da ist kein Pfeffer drin, keine Herausforderung, kein Ehrgeiz, keine Idee. Außer einer: Wir wollen jetzt mal möglichst lange genießen, dass wir keine neuen Schulden machen. Ja, das ist eine Leistung. Die Union hat dazu beigetragen, dass es Deutschland so gut geht. Aber es reicht nicht, sich darauf auszuruhen. Es ist noch viel mehr zu tun.
Wenn ernstzunehmende Ökonomen – beispielsweise Marcel Fratzscher, ehemals Europäische Zentralbank, jetzt Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung – daraufhinweisen, dass wir unseren Wohlstand aufzehren, ist das eine Alarmmeldung ersten Ranges. Das DIW sagt: Der Wert der öffentlichen Infrastruktur nimmt ab – Verkehrswege, Wasserleitungen und Schulen verschleissen. Der Staat investiert nicht genug, um sie in Schuss zu halten. Von Neuinvestitionen in Datenleitungen, Stromtrassen und moderne Bildung gar nicht zu reden. Wird dieser Investitionsrückstand nicht bald behoben, wird uns das Wohlstand in der Zukunft kosten.
Die Bundesregierung müsste also ein Investitionsprogramm auflegen und seine Finanzierung planen. Was tut sie stattdessen? Sie freut sich ihrer 80-Prozent-Mehrheit der Sitze im Bundestag und legt die Hände in den Schoß. So ist das mit einer Kanzlerin, die seit neun Jahren regiert, und mit ihrer großen Koalition die Opposition an die Wand drückt. Stillstand beginnt Einzug zu halten. Bei Helmut Kohl war das schließlich auch so.