Schleckers letzter Ausverkauf

Der Drogeriekonzern wird zerschlagen, weil sich kein Käufer für das Gesamtunternehmen finden ließ / Mehr als 10.000 Kündigungen befürchtet / Gewerkschaft weist Bundesregierung die Schuld dafür zu

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Von Wolfgang Mulke

01. Jun. 2012 –

Schlecker wird zerschlagen. Darauf haben sich die Gläubiger der hoch verschuldeten Drogeriekette am Freitag in Berlin geeinigt. Die Suche nach einem neuen Eigentümer für die mehr als 2.000 Filialen des Unternehmens war zuvor gescheitert. „Wir haben kein akzeptables Angebot vorliegen“, sagte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz anschließend. In der Nacht zuvor war mit dem Karstadt-Retter Nicolas Berggruen ein aussichtsreicher Investor abgesprungen. Nun will Geiwitz Zweigstellen sowie die Auslandstöchter einzeln oder in kleinen Blöcken veräußern.


In den kommenden Tagen wird nun der wohl letzte Schlussverkauf in den Schlecker-Läden starten. Ende Juni werden dann alle Geschäfte schließen, für die sich kein Käufer finden lässt. Laut Geiwitz müssen bis zu 13.400 Frauen mit ihrer Kündigung zum Monatsende rechnen. Der Verwalter informierte zunächst die Betriebsräte von Schlecker, die die Entscheidung aufrecht stehend zur Kenntnis genommen hätten, wie die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Christel Hoffmann, später berichtete. „Für die Beschäftigten ist dies ein bitterer Tag“, bedauerte Geiwitz die Entwicklung.


Von der missglückten Investorensuche sind nicht alle Teile des Konzerns betroffen. Die Schlecker-Töchter Ihr Platz mit knapp 4.000 Beschäftigten und Schlecker XL mit 1.100 Arbeitsstellen können sich aus eigener Kraft am Markt behaupten. Für die Auslandsableger in Frankreich, Tschechien und Spanien hat Geiwitz Interessenten gefunden. Die Geschäfte der Anton Schlecker GmbH stecken dagegen tief in der Verlustzone, obwohl sie schon deutlich gedrückt werden konnten. Hier kann sich Geiwitz Abnehmer für jeweils ein paar Dutzend Läden vorstellen.


Den Interessenten war der Kauf des Filialnetzes nach Angaben des Verwalters zu riskant, weil eine Vielzahl von Kündigungsschutzklagen drohen. Von den 11.000 schon im März entlassenen Schlecker-Beschäftigten sind bisher 4.500 vor Gericht gezogen. Bei der Tochter Ihr Platz klagten nur drei Prozent der Belegschaft. Damit ist das Risiko für den Käufer dort viel niedriger.


Die Betriebsräte sind enttäuscht und sauer. Sie machen die Politik für die Zerschlagung des Unternehmens verantwortlich, weil die Bundesregierung die Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft für die Mitarbeiterinnen nicht finanzieren wollte. Hoffmann wirft insbesondere Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) „fehlende fachliche Qualifikation, eine unglaubliche Arroganz und Scheinheiligkeit“ vor. Die Gewerkschaft Verdi verweist auf die erfolgreiche Sanierung der Tochter Ihr Platz. Dort sei eine Transfergesellschaft gegründet und das Unternehmen so erhalten worden. „Die FDP ist auch noch stolz darauf, 10.000 Frauen in die Arbeitslosigkeit zu schicken“, schimpfte Verdi-Chef Frank Bsirske.


Die Gewerkschaft will noch nicht aufgeben. Die Hoffnungen ruhen auf dem Arbeitsministerium und dem Kanzleramt. Bsirske verlangt einen Sonderfonds, der drei Monate lang für die Personalkosten bei Schlecker in Höhe von 20 Millionen Euro aufkommen soll. In dieser Zeit kann die Suche nach einem neuen Eigentümer seiner Einschätzung nach erfolgreich verlaufen. Das Geld will Verdi aus Mitteln der EU aufbringen. Dafür gebe es bereits Vorbilder. Die Aussichten für einen neuerlichen Anlauf erscheinen allerdings gering. Der Insolvenzverwalter hat klar die Parole zum Ausverkauf bei Schlecker gegeben. 40 Jahre nach der Gründung verschwindet die Marke damit wieder.


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