Schnell und schwer

Selbstversuch: Mit Elektro-Fahrrädern kommt man ohne Schwitzen ins Büro. Neuer Test der Stiftung Warentest

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Von Hannes Koch

28. Mai. 2013 –

Überraschung: das Tempo. Mein Elektro-Fahrrad beschleunigt von 0 auf 25 Kilometer pro Stunde in gefühlten drei Sekunden. Die Trägheit meiner Masse bringt mich auf dem Sattel in Rückenlage. Am Lenker halte ich mich fest. Das parkende Auto da vorne kommt erstaunlich schnell näher. Jetzt aber ganz rasch bremsen.


Zum Glück tun die Trommelbremsen ihren Dienst. Ich habe das Gerät wieder unter Kontrolle. Weiter geht es in diesem Selbstversuch mit einem Fahrrad, dass von einem Elektromotor unterstützt wird. Die Stiftung Warentest und der ADAC haben am Dienstag einen neuen Test von 16 dieser modernen Räder veröffentlicht.


Dieser fiel nicht berauschend aus. Nur zwei Gefährte schnitten mit dem Urteil „Gut“ ab. Neun erhielten dagegen die Note „Mangelhaft“, weil beispielsweise die Rahmen oder die Lenker unter Dauerbelastung brachen. Hinzu kamen an manchen Modellen mangelhafte Bremsen. Die Hersteller haben teilweise die konventionellen Seilzug-Bremsen verwendet, die schon bei normalen Rädern ein Problem darstellen können. Für die schnellen, schweren E-Bikes erweist sich diese Technik meist als ungeeignet.


Eine weitere Quelle von Problemen sind die Akkus, die die Motoren mit Strom versorgen. Die Ladezeit beträgt bis zu zwölf Stunden – für den Alltagsbetrieb deutlich zu lange. Außerdem stellten die Tester fest, dass manche Elektromotoren eine so starke Strahlung aussandten, dass die Funkgeräte von Feuerwehr und Polizei gestört werden.


Warschauer Straße in Berlin-Friedrichshain: schmaler Radweg, links parkende Autos, rechts Geschäfte, Fußgänger, Kinderwägen, Hunde. Mit maximaler Geschwindigkeit fahre ich in Richtung Kreuzberg. Der Fahrtwind lässt mein Haupthaar wehen. Erschrockende Passanten blicken mir nach. Ich habe den Eindruck, ich bin zu schnell für diese beengte Verkehrssituation. Hoffentlich öffnet niemand eine Autotüre. Ein Helm - ich hätte eine Sorge weniger.


Die Pedelecs, wie die E-Räder im Fachjargon heißen, eignen sich für reaktionsschnelle, geübte Radfahrer. Sie funktionieren so: Setzt man das Rad mit Muskelkraft in Bewegung, schaltet sich der Elektromotor dazu. Die Batterie unter dem Gepäckträger liefert den Strom. Mein geliehenes E-Bike verfügt über vier Geschwindigkeitsstufen. Die höchste beschleunigt auf maximal 25 km/h. Tritt man nicht in die Pedale, spendet der Motor keine Kraft. Man kann ihn auch ganz abschalten.


Nun geht es hoch zum Denkmal für den Sieg über Napoleon. Beim Anstieg zum Kreuzberg ist das Pedelec-Fahren eine reine Freude. Entspannt throne ich hollandradmäßig auf dem breiten Sitz und betrachte die Umgebung. Mit wissendem Lächeln ziehe ich an schnaufenden Pedalisten vorbei, die sich Berlins Gipfel hinaufquälen. Ich muss nicht strampeln, nur ein bisschen die Beine bewegen. Ich werde gefahren.


Auf dem Rückweg bergab in Richtung Spree versagt der Elektromotor plötzlich seine Hilfe. Ich blicke auf den Tacho: knapp über 25 km/h. Das Aggregat ist gedrosselt, für höhere Geschwindigkeiten gibt es aus Sicherheitsgründen keinen Strom. Nun bin ich wieder auf meine eigene Kraft angewiesen.


Diese gilt es auch einzusetzen, will man das Elektrorad bei schlechtem Wetter mit der U- oder S-Bahn befördern. Dabei zeigt sich ein echter Nachteil. Die Hightech-Fortbewegungsmittel sind mit durchschnittlich 25 Kilogramm so schwer, als seien die Rohre mit Blei ausgegossen. Keine Chance, sie mal eben auf die Schulter zu nehmen und locker die Treppen zum Bahnsteig hochzusteigen.


Gesamturteil: Pedelecs sind ideal für Zeitgenossen, die Radfahren als bloße Überbrückung mittlerer Distanzen betrachten. In gutem Zustand, ohne Schwitzen, erreicht man das Büro. Mit gewisser sportlicher Betätigung, die gesund sein soll, hat das aber nichts zu tun. Nachteil: Die Gefährte sind unerwartet schnell. Unfallrisiko im Verkehrsgewühl der Stadt.


Info-Kasten

Pedelecs

Wahrscheinlich gibt es bereits rund 1,3 Millionen Elektro-Fahrräder in Deutschland. Ihre Anzahl nimmt rasch zu, viel schneller als die der Elektroautos. Vor allem ältere Kunden kaufen die Pedelecs. Ihr Preis beginnt im Umkreis von 700 Euro. Die Akkus für den Antrieb kann man an der Steckdose aufladen. Für E-Bikes, die elektrisch auf höchstens 25 km/h beschleunigen, gilt bislang keine Helmpflicht.

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