Schuldner können auf schnellere Befreiung hoffen

Die Bundesregierung vereinfacht das Verfahren zur privaten Insolvenz

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Von Wolfgang Mulke

09. Aug. 2012 –

Die Werbeagentur von Annette Plame (Name geändert) lief nicht gut genug. Mit der Zeit häuften sich deshalb Schulden an. Als Plame mit den fälligen Zahlungen einfach nicht mehr hinterher kam und immer weiter ins Minus geriet, zog sie die Notbremse. Die Unternehmerin meldete die private Insolvenz an. In sechs Jahren, so hofft sie, gehört der fünfstellige Schuldenberg der Vergangenheit an. „Die Gerichtskosten liegen bei 1.500 Euro und ein Anwalt kostet zwischen 700 Euro und 1.400 Euro“, beziffert Plame die zusätzlich aufzubringenden Verfahrenskosten. Diese Beträge muss sie auf jeden Fall bezahlen.


Die Werbefachfrau hat Pech, weil sie bereist vor einigen Monaten ihre Insolvenz anmelden musste. So hat sie nichts mehr von einer Gesetzesänderung, den die Bundesregierung gerade vorantreibt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will das Verfahren verkürzen und die Gläubiger besser stellen. Künftig soll die Befreiung von den Restschulden schon nach drei Jahren erfolgen, sofern der Schuldner innerhalb dieser Zeitspanne ein Viertel aller Forderungen gegen ihn begleicht und auch die Gebühren für das Verfahren bezahlt hat. Kann der Schuldner nur die Verfahrenskosten aufbringen, ist er nach fünf Jahren schuldenfrei. „Mit den Neuregelungen stellen wir sicher, dass Existenzgründer und Verbraucher nicht dauerhaft in dem Schuldentrum festsitzen“, sagt die Ministerin.


Hinter der Änderung steht auch der Wunsch der Bundesregierung, jungen Menschen den Sprung in die Selbständigkeit zu erleichtern. Denn viele Existenzgründer scheitern und stehen dann vor einem nicht mehr zu bewältigendem Schuldenberg. Allein im vergangenen Jahr meldeten 20.000 Selbständige Insolvenz an. Aus Furcht davor wagen potenzielle Unternehmer die Eröffnung des eigenen Betriebes nicht.


Auch viele Verbraucher stecken in der Schuldenfalle. Experten schätzen, dass bis zu zwei Millionen Haushalte überschuldet sind, also ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr ordentlich nachkommen können. Mehr als 100.000 Privathaushalten haben 2011 einen Antrag auf die Privatinsolvenz gestellt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts summierten sich die Schulden aller betroffenen Haushalte auf mehr als 5,7 Milliarden Euro. Häufigste Gründe für die finanzielle Krise ist bei Verbrauchern, wenn sie unerwartet arbeitslos werden. 37 Prozent gaben in einer Studie der Schufa an, dass sie den Überblick über ihre Verhältnisse verloren hätten. Fast genau so viele machen eine Trennung oder Scheidung für ihre Lage verantwortlich.


„Die Beschleunigung ist auch im Interesse der Gläubiger“, wirbt die Justizministerin für ihren Plan, dem der Bundestag noch zustimmen muss. So schafft die Bindung der Restschuldbefreiung an die Tilgung eines Teils der Forderungen einen Anreiz für die Schuldner, tatkräftig daran mitzuarbeiten. Außerdem können Gläubiger während des gesamten Verfahrens den Antrag stellen, die Befreiung von den Restschulden zu versagen.


Neu ist auch, dass Verbraucher oder Selbständige in ein so genanntes Insolvenzplanverfahren gehen. Dabei tilgt der Schuldner in Absprache mit den Gläubigern nach einem gemeinsam festgelegten Plan seine Miesen.



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So läuft die private Insolvenz


Wenn die Rechnungen nicht mehr pünktlich beglichen werden können, sollte dies im betreffenden Haushalt die Alarmglocken zum läuten bringen. Der Gang zur Schuldnerberatung ist ein erster Schritt zur Lösung des Problems. Oft bleibt am Ende aber nur der Weg in die private Insolvenz. In diesem Fall schreibt der Betroffene oder sein Vertreter zunächst alle Gläubiger an, von der Bank über die Telefongesellschaft bis hin zum Versandhändler. Darin wird die Lage dargestellt und ein Plan für das weitere Vorgehen vorgeschlagen. Dabei werden die Geldgeber zum Beispiel gefragt, ob sie auf ihre Forderung ganz oder teilweise verzichten. Wenn keine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann, bleibt nur der Gang zum Gericht.


Das Amtsgericht unternimmt einen neuerlichen Versuch der Einigung zwischen Schuldner und Gläubigern. Wenn mehr als die Hälfte der Gläubiger zustimmt, wird der Plan durchgeführt. Andernfalls setzt das Gericht einen Treuhänder ein. Die Verwalter sichtet das vorhandene Vermögen, falls es noch etwas verwertbares beim Schuldner gibt. Was da ist, wird verteilt. Das Gericht ordnet schließlich die Restschuldbefreiung an. Danach beginnt die Bewährungsphase. In einer Zeitspanne von sechs Jahren darf der Schuldner nur den nicht pfändbaren Teil seines Gehalts behalten. Das sind knapp 1.000 Euro im Monat. Der Rest geht an den Treuhänder zur Tilgung der Schuld. Nach dieser Zeit ist der Betroffene wieder schuldenfrei. Die Bundesregierung will die Frist verkürzen, wenn der Schuldner schnell einen Teil der Forderungen begleicht.




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