Seit 1950 sind die Schulden permanent gestiegen

Spardebatte: Die Bundesregierung will die öffentliche Verschuldung verringern. Seit dem 2. Weltkrieg ist das nur sehr selten gelungen

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Von Hannes Koch

25. Mai. 2010 –

Sollte der Plan der Bundesregierung aufgehen, wäre dies eine Sensation. Ab dem Bundeshaushalt 2011, der in den kommenden Wochen aufgestellt wird, wollen Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble die Neuverschuldung reduzieren. In einigen Jahren soll der Staat fast ohne neue Kredite auskommen. Das langfristige Ziel ist es sogar, den bislang aufgehäuften Schuldenberg teilweise wieder abzutragen. Das hat bislang nur in seltenen Ausnahmefällen funktioniert.


Alle möglichen Vorschläge sind schon in der Debatte. Die Ideen reichen von der Erhöhung diverser Steuern auf Finanzmarktgeschäfte, Einkommen, Konsum und Energieverbrauch bis zu zahlreichen Einsparungen. So wird wohl die Bundeswehr auf manche neuen Waffen verzichten müssen und die Bundesagentur für Arbeit weniger Geld für die Förderung von Erwerbslosen ausgeben können. Trotz allem: Der Plan der Schuldenreduzierung ist extrem ehrgeizig.


Das beweist ein Rückblick: Seit 1950 ist die Verschuldung des deutschen Staates – Bund, Länder und Gemeinden – permanent gestiegen. In keinem einzigen Jahr sank sie absolut. 1950 betrug die Verschuldung umgerechnet knapp zehn Milliarden Euro, 2008 erreichte sie den Zahlen des Statischen Bundesamtes zufolge 1.600 Milliarden Euro (1,6 Billionen). Der Bundesregierung ist es in diesen 58 Jahren immerhin gelungen, ihre Schulden viermal gegenüber dem Vorjahr zu senken: 1962, 1969, 1970 und 2001. Im letzten Fall bezahlte der damalige Finanzminister Hans Eichel einen Teil der Schulden zurück, weil er durch die Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizensen hohe Extraeinnahmen erzielt hatte.


Doch selbst in Boomphasen stiegen die Gesamtschulden meist schneller als die Wirtschaftsleistung. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt in den Jahren nach der Wiedervereinigung. So nahm 1990 das Bruttoinlandsprodukt um 5,3 Prozent zu, die Schulden stiegen jedoch um 13,4 Prozent. Ähnliche Entwicklungen waren auch in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren zu verzeichnen. Nur in zwölf Jahren seit 1951 überstieg das Wirtschaftswachstum die jeweilige Zunahme der Schulden.


Zwei Rückschlüsse kann man daraus ziehen. Obwohl erstens die Regierungen in Zeiten guter Konjunktur oftmals sehr viel mehr Geld zu Verfügung haben, reichen ihnen diese Mittel nicht aus. Mit höheren Ausgaben oder zu niedrigen Einnahmen bedienen sie die Interessen der Bürger, Unternehmen und Verbände. Zweitens ist es deshalb seit dem 2. Weltkrieg nicht gelungen, aus den Schulden „herauszuwachsen“. Diese Strategie verfolgt die Regierung auch jetzt wieder. Mehr Wirtschaftswachstum soll mehr Staatseinnahmen erzeugen, damit die Altschulden im Vergleich dazu relativ betrachtet abnehmen. Eine schöne Hoffnung, die sich bislang nur sehr selten bewahrheitet hat.


Insgesamt hat die öffentliche Finanzpolitik der vergangenen sechs Jahrzehnte zu einem ernüchternden Ergebnis geführt. Während 2009 die Wirtschaftskraft Deutschlands mit 2,4 Billionen Euro 50mal so groß war wie 1950, stiegen die Schulden auf den 175fachen Wert.


Sollte es der Regierung gelingen, diese Entwicklung dauerhaft umzudrehen, würde sie mit einer lange eingeübten Logik brechen. Zeit dafür wäre es: Der Schuldenberg wächst allmählich in Richtung 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bei 90 Prozent sehen die US-Ökonomen Carmen Reinhardt und Kenneth Rogoff die Schallgrenze erreicht. Dann werde das Wachstum durch die alten Schulden merklich behindert.


Zahlen für Grafik/ Info-Kasten:

Entwicklung des öffentlichen Gesamthaushaltes/ Verschuldung seit 1950:

https://www-ec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.cBroker.cls?CSPCHD=0000000100004dz98heA000000VUY45mZ018CgmT1hFlRuhQ--&cmspath=struktur,vollanzeige.csp&ID=1024251

Darin die erste Tabelle.

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