• Jens Bastian, Mitglied der EU-Task-Force für Griechenland

"Skoda statt Ferrari"

Interview

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Von Wolfgang Mulke

25. Jan. 2012 –

Eine Task Force der EU-Kommission soll den Griechen beim Aufbau eines modernen Staates helfen. Der deutsche Ökonom Jens Bastian ist Mitglied der 15-köpfigen Hilfstruppe. Der 52-jährige lebt seit 14 Jahren in Griechenland und fordert mehr Geduld bei der Umsetzung von Reformen. Der gebürtige Nürnberger ist verheiratet und Vater einer Tochter.



Frage: Ist die Task Force für die Griechen eher die Böse, die sie mit dem strengen Zeigefinger auf den Pfad der Tugend lenkt oder die Gute, die sie an die Hand nimmt und ihnen beim Aufstehen hilft?

Jens Bastian: Weder noch. Man muss wissen, wie die Task Force entstanden ist. Der frühere griechische Ministerpräsident Papandreou hat die anderen EU-Staaten im Juli 2011 um die Hilfe von Experten gebeten. Die Fachleute sollten beim Aufbau neuer Strukturen in der Verwaltung helfen. Dazu gehören die Finanzverwaltung oder die Ausschöpfung der Fördermittel aus den Struktur- und Kohäsionsfonds der EU. Auch die technische Unterstützung bei Privatisierungen, Unternehmensgründungen oder der Bekämpfung von Geldwäsche ist gefragt. Da haben die Griechen administrative Defizite festgestellt. Es muss immer aus griechischer Initiative kommen und in griechischer Hand bleiben.

Frage: Sie beraten nur haben keine Durchgriffsrechte?

Bastian: Durchgriffsrechte haben wir nicht und wollen wir auch nicht. Das würde gegen den tieferen Sinn der Zusammenarbeit verstoßen. Wir bieten unterschiedliche Wege aus anderen Mitgliedsländern an und die Griechen entscheiden selber, was sie tun wollen. Lassen Sie es mich mit einer Metapher beschreiben: es muss nicht immer der Ferrari das geeignete Modell sein, ein Skoda kann auch reichen.

Frage: Ihr Image ist trotzdem nicht gut...

Bastian: Das würde ich nicht sagen. Die letzten zwei Jahre in Griechenland waren davon geprägt, dass die Menschen solche internationalen Institutionen wie die Task Force sofort identifizieren, ob sie Teil oder sogar identisch mit der Troika ist. Hier müssen wir Informationsarbeit leisten und zeigen, wie wir arbeiten. Wir haben unterschiedliche Mandate und die Task Force arbeitet erst seit September vergangenes Jahr.

Frage: Was machen Sie anders als die Troika?

Bastian: Die Troika setzt primaer auf Zahlen: Budgetdefizit, Privatisierungserlöse, Wirtschaftswachstum. Das ist ihr Blickwinkel. Die Task Force schaut auf die Umsetzung von Strukturreformen, wobei wir zum Beispiel bei der Reform der Steuerverwaltung auch Vorarbeiten der Troika aufnehmen. Wir haben andere Fahrpläne als die Troika, die sich nicht nach vierteljährlichen Evaluierungen richten, sondern in einer Perspektive von zwei oder drei Jahren. Wir suchen zukunftsfähige Lösungen, nicht nach einer Heftpflastertherapie.

Frage: Sie sagen, dass Notkredite wie bisher das Land alleine nicht retten können. Wie kann es dann weitergehen?

Bastian: Es ist wichtig, dass wir zusammen mit den griechischen Partnern eine kritische Masse an Reformfähigkeit aufbauen. Es ist zu früh zu sagen, wie lange das dauert. Die griechische Seite muss aber signalisieren: wir nehmen es in die Hand, wir sind bereit zur Kooperation und Umsetzung.

Frage: Die Euroländer fordern aber schnelle Erfolge. Ist diese Hoffnung noch berechtigt?

Bastian: Innerhalb der Europäischen Kommission, aber auch innerhalb der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds denkt man um. Es gibt mehr Flexibilität beim Zeithorizont. Wir brauchen Geduld und einen langen Atem mit Griechenland. Wir müssen wegkommen von einer Fokussierung auf Zahlen und stärker Wert auf die nachprüfbare Umsetzung von Strukturreformen legen. Das große Problem in Griechenland ist die fehlende administrative Fähigkeit, gute Gesetze auch in die Praxis umzusetzen. Darum geht es. Und die Griechen brauchen einen Mentalitätswandel. Sie müssen sich mit dem Reformprozess identifizieren können und ihn selbst wollen. Hier kann die Task Force einen wichtigen Beitrag leisten.

Frage: Es stehen wichtige Termine an. Es geht um neue Kredite. Sollte die Hilfe gestoppt werden, wenn Griechenland wie absehbar die Vorgaben nicht erfüllt?

Bastian: Das ist eine politische Entscheidung und keine der Task Force. Unsere Arbeitsgrundlage ist eine Einladung der griechischen Regierung. Solange diese Einladung steht und die Kooperation lebensfähig ist, machen wir es weiter. Allerdings sind wir von zwei Stellgrößen abhängig.  Zum einen muss die Finanzhilfe weiter stattfinden. Zum anderen muss Griechenland in der Eurozone bleiben. Das ist eine rote Linie.

Frage: Gibt es eigentlich irgendwelche hoffnungsvollen Signale aus Griechenland?

Bastian: Es ist wichtig, nicht nur nach Athen zu schauen, sondern auf das ganze Land. Es gibt in den Kommunen neue Bürgermeister, die nicht parteilich gebunden sind und unter sehr schwierigen Bedingungen Reformen angestoßen haben. Ein Beispiel ist Transparenz. Die Stadt Saloniki hat das gesamte öffentliche Vergabewesen der letzten Jahre auf ihre Rechtmäßigkeit hin untersucht. Dadurch erfährt die Bevölkerung zum ersten Mal, was mit ihren Steuergeldern geschehen ist. Der Bürgermeister Boutaris besucht andere europäische Städte, sucht den Austausch mit Experten bei der städtischen Müllbeseitigung. Mit wenigen Investitionen wird der Tourismus gefördert. Kreuzfahrtschiffe sollen im Hafen von Saloniki anlegen können, die Kabotageregeln wurden verändert. Die Stadt verzeichnet ein starkes Wachstum der Gästezahlen aus Israel und der Türkei. Beide Nationen haben historische Wurzeln in Saloniki. Diese Reformer brauchen mehr Aufmerksamkeit. Und sie brauchen auch mehr Gesichter, die für diesen Neuanfang stehen. Immer mehr Menschen sind auch bereit, ihr Knowhow in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, darunter auch Menschen mit großem wirtschaftlichen Sachverstand. Die Einbindung der griechischen Diaspora ist dabei zielführend!












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