Sollen Versicherungen Autobahnen finanzieren?

Vom Wirtschaftsministerium beauftragte Experten fordern mehr Geld für öffentliche und private Investitionen

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Von Hannes Koch

13. Apr. 2015 –

Mindestens fünf Milliarden Euro jährlich sollten die Städte und Gemeinden zusätzlich erhalten. Das hat die von SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingesetzte Expertenkommission zur „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ am Montag vorgeschlagen. Das Geld könne aus den Kassen von Bund und Ländern kommen, sagte Kommissionschef Marcel Fratzscher.

 

Der Vorschlag ist Bestandteil eines Zehn-Punkte-Planes. Dabei geht es um Maßnahmen sowohl für mehr öffentliche, als auch zusätzliche private Investitionen, sagte Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Kommission gehören unter anderem Prominente aus Wirtschaft, Finanzwesen und der Wissenschaft an. Welche Ideen umgesetzt werden, muss nun die Politik entscheiden. In der Kommission gab es Auseinandersetzungen darüber, ob der Staat privates Kapital beispielsweise von Lebensversicherungen akquirieren solle, um Autobahnen und andere Infrastruktur zu errichten.

 

Fratzscher bezifferte die Investitionslücke in Deutschland auf etwa 90 Milliarden Euro pro Jahr, gemessen an vergleichbaren Industrieländern. Diese Summe müsste hierzulande eigentlich aufgewendet werden, um die öffentliche Infrastruktur zu modernisieren und die privaten Unternehmen konkurrenzfähig zu halten. Geschehe das nicht, seien Wohlstand und Arbeitsplätze in Gefahr, heißt es im Bericht.

 

Neben den zusätzlichen Mitteln für städtische Investitionen in Straßen, Schulen, Kitas und öffentliche Gebäude regte die Kommission an, eine neue Infrastrukturgesellschaft für Kommunen zu gründen. Diese solle von Bund und Ländern getragen werden, um die Städte und Gemeinden zu beraten, sowie Bauprojekte durchzuführen. Der Vorschlag fusst auf der Einschätzung, dass manche Stadtverwaltung nicht über die Expertise verfüge, die jeweils beste Organisationsform für ihre Vorhaben zu wählen.

 

Bundesregierung und Bundestag rät die Kommission, eine finanzielle Selbstverpflichtung zu beschließen. Jedes Jahr solle mindestens soviel Geld zur Verfügung gestellt werden, dass man den Verschleiß der öffentlichen Infrastruktur ausgleiche. Überschüsse im Bundeshaushalt seien in erster Linie für bessere Verkehrswege, Datenleitungen und Forschungsförderung zu verwenden. Statt drei Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung für Forschung und Entwicklung auszugeben, wie es die Regierung anpeilt, würde die Kommission die Latte auf 3,5 Prozent anheben.

 

Außerdem plädieren die Experten für die Einrichtung einer Infrastrukturgesellschaft, die „zumindest mehrheitlich in öffentlicher Hand sein sollte“. Ihre Aufgabe wäre es, die Bundesstraßen und Autobahnen in Ordnung zu halten. Reichen öffentliche Mittel dafür nicht aus, könnte auch privates Kapital einbezogen werden. In die gleiche Richtung geht die Idee eines Infrastrukturfonds, in den beispielsweise Banken und Versicherungen Mittel einzahlen, um mit der Finanzierung öffentlicher Projekte eine Rendite zu erwirtschaften. Im Hintergrund steht hier die Überlegung, dass Banken und Versicherungen angesichts der niedrigen Zinsen lukrative Anlagemöglichkeiten für das Geld beispielsweise ihrer Lebensversicherungskunden suchen.

 

Um diese Punkte gab es in der Kommission Auseinandersetzungen. Während sich Kommissionsmitglied und Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen für die Verwendung privaten Kapitals einsetzte, war Reiner Hoffmann, Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes, kritisch. Der Staat solle sein eigenes Geld verwenden, so Hoffmann. Wenn es daran mangele, könne man einen Teil der öffentlichen Ausgaben für die notwendigen Investitionen mit neuer Verschuldung oder höheren Steuern finanzieren. Fratzscher legte Werte auf die Feststellung, ihm gehe es nicht um die Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur, sondern um eine für Staat und Steuerzahler möglichst kostengünstige Finanzierung der Projekte.

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