Soziale Schieflage

Kommentar zur Sparklausur von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

07. Jun. 2010 –

Angela Merkel will die „Kanzlerin aller Deutschen“ sein. An diesem Anspruch, den sie anlässlich ihrer Wiederwahl formulierte, gibt es nach der Sparklausur Zweifel. Das Sparpaket offenbart eine soziale Schieflage, die der Regierung in den kommenden Monaten erhebliche Probleme bereiten dürfte.


Merkel betonte bei der Präsentation der Sparmaßnahmen zwar, dass ihr die Ausgewogenheit der Einschnitte ein Anliegen sei. Und tatsächlich finden sich in der Liste zahlreiche Punkte, die die Wirtschaft ablehnt. Bis zu acht Milliarden Euro jährlich will die Regierung von den Unternehmen hereinholen, indem sie Ausnahmen von der Ökosteuer streicht, den Flugverkehr besteuert oder den Atomstrom besteuert.


Diesen Opfern auf Seiten der Wirtschaft stehen allerdings größere Einschnitte bei denjenigen Bürgern gegenüber, die ohnehin knapp bei Kasse sind. Arbeitslose, Rentner, Eltern mit kleinen Einkommen und ärmere Mieter erhalten künftig weniger staatliche Leistungen. Diese Bevölkerungsgruppen werden perspektivisch elf Milliarden Euro Kürzungen pro Jahr zu tragen haben – die Industrie nur acht Milliarden. Hinzu kommt ein wichtiger Punkt: Wohlhabende und reiche Privatpersonen müssen einstweilen keinen Beitrag leisten. Denn auf eine höhere Einkommenssteuer verzichtet die Regierung bewusst.


Für diese Schwerpunktsetzung trägt nicht nur die FDP die Verantwortung. Auch der Kanzlerin und der Union fehlen das Einfühlungsvermögen in die Psyche vieler Bundesbürger. Nach drei Jahrzehnten wirtschafts- und kapitalfreundlicher Steuer- und Sozialpolitik, nach einer irrwitzig teuren Rettung gescheiterter Banken, glaubt die Mehrheit nicht mehr daran, dass es in Deutschland gerecht zugeht. Die Ergebnisse der Sparklausur sind dazu angetan, diesen Eindruck zu verstärken. Das schwächt den Zusammenhalt der Gesellschaft insgesamt – eine fatale Entwicklung.

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