Sparen bei Dörfern und Palästen

Kein Stadtschloss in Berlin, weniger Dorferneuerung in Baden-Württemberg – die Sparbeschlüsse der Regierung haben konkrete Auswirkungen: Sie kosten Jobs und Einkommen

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Von Hannes Koch

03. Jun. 2010 –

Kurt Renner sortiert Land. Dem einen Bauern nimmt er einen Acker weg und gibt ihn dem benachbarten Landwirt. Dieser muss sich für das Geschenk mit einem anderen Grundstück revanchieren. Das nennt man Flurbereinigung. Das Ziel: Anstatt vieler kleiner Ackerparzellen sollen die Bauern lieber große Stücke bewirtschaften. Das spart Diesel für den Schlepper, Maschinenmiete und Zeit. „Die Höfe arbeiten dann rentabler“, sagt Renner, der Leiter der Flurbereinigung im baden-württembergischen Ort Trochtelfingen-Hausen.


Die Bauern leiden unter den niedrigen Preisen, die ihnen die Discounter zahlen. Und die Flurbereinigung hilft den Höfen beim ökonomischen Überleben. Selbst bezahlen kann der Landkreis Reutlingen südöstlich von Tübingen, wo Trochtelfingen liegt, die Arrondierung aber nicht. Deshalb geben das Agrarministerium in Stuttgart und das Bundesministerium für Landwirtschaft dieses Jahr rund 600.000 Euro dazu.


Ob solche Summen im kommenden Jahr noch zur Verfügung stehen, ist fraglich. Denn Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) soll in ihrem Etat 2011 zunächst einmal rund 57 Millionen Euro einsparen. Diese Summe steht in der Liste, die Finanzstaatssekretär Werner Gatzer den Bundesministerien zur Vorbereitung der Sparklausur am Sonntag und Montag geschickt hat. 1,3 Milliarden Euro müssen die Ministerien in einem ersten Schritt bei den Ausgaben kürzen, für die man keine komplizierten, gesetzlichen Änderungen braucht.


Das ist aber nur ein kleiner Anfang der viel umfangreicheren Streichungen für 2011. Die MinisterInnen treffen sich im Kanzleramt, um das Defizit des Bundes 2011 im Vergleich zu 2010 um rund zehn Milliarden Euro zu drücken.


Dem Sparen fällt dabei möglicherweise auch ein Teil der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zum Opfer. Damit finanzieren Bund, Länder und Gemeinden nicht nur die Zusammenlegung von Äckern und Weiden, sondern auch den Bau von Wanderwegen für Touristen, die Renaturierung von Bächen, Zuschüsse für verarmte Milchbauern oder Subventionen für Landwirte, deren Felder im Bergland liegen und deshalb weniger Ertrag abwerfen.


Einsparungen hätten so auch Auswirkungen für die Landwirte in Trochtelfingen. „Die Flurbereinigung verbessert die Einkommen der Landwirte um bis zu 20 Prozent“, sagt Renner. Im Umkehrschluss bedeutet der Verzicht auf weitere Arrondierungen Einbußen für Bauern, die bislang nicht an der Flurbereinigung teilnehmen konnten.


In der Klausur der Regierung am Wochenende mögen solche Sparmaßnahmen abstrakte Zahlen bleiben. Bei den Empfängern des Geldes sind die Verluste aber konkret. Das gilt auch für ein anderes, umstrittenes Beispiel – das Stadtschloss in Berlin.


Rund 550 Millionen Euro soll das gigantische Projekt zum Wiederaufbau der Hohenzollern-Residenz in der Mitte der Hauptstadt kosten. Wegen der üblichen Explosion der Baukosten könnte daraus am Ende leicht eine Milliarde Euro werden. Weil sich der Bund verpflichtet hat, den größten Teil zu bezahlen, macht sich das Finanzministerium nun verstärkt Gedanken darüber, wie man das „überflüssige Prestigeprojekt“ auf die lange Bank schieben kann. Aber auch einige Abgeordnete des Haushaltsausschusses im Bundestag rechnen schon nicht mehr damit, dass der Bau wie geplant im kommenden Jahr beginnt.


Auch hier gilt: Das staatliche Geld kommt irgendwo an – oder eben nicht. In den armen Ländern Berlin und Brandenburg entscheiden die Baumillionen darüber, ob tausende Bauarbeiter Jobs haben und Steuern zahlen oder sich beim Arbeitsamt anstellen müssen.

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