Sparsam trotz mehr Geld

Die Steuerschätzer stellen Bund und Ländern erneut höhere Einnahmen in Aussicht. Offiziell sieht Finanzminister Schäuble vorläufig jedoch keinen neuen Spielraum für Steuersenkungen

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Von Hannes Koch

08. Mai. 2014 –

Die Finanzminister in Deutschland sind in einer Luxussituation: Die Steuereinnahmen steigen erneut. Im Vergleich zur Steuerschätzung vom vergangenen November werden zwischen 2014 und 2018 rund 19,3 Milliarden Euro zusätzlich in die staatlichen Kassen fließen. Das gibt der Debatte neuen Schwung, wofür bislang nicht verplantes Geld verwendet werden könnte.

 

Wie der Arbeitskreis Steuerschätzung, ein Expertengremium von Bund, Ländern und Forschungsinstituten, am Donnerstag bekanntgab, werden die Einnahmen im laufenden Jahr zwar marginal gegenüber der letzten Prognose zurückgehen. Bund, Länder und Gemeinden verzeichnen ein leichtes Minus von 400 Millionen Euro. Zwischen 2015 und 2018 sollen die Steuern dann aber erneut zunehmen. Der Bund wird insgesamt 7,1 Milliarden Euro mehr vereinnahmen. Bei den Ländern sind es 10,5 Milliarden. Die Städte und Gemeinden werden dieses Jahr ein Minus von 600 Millionen Euro verzeichnen, in den kommenden beiden Jahren bei Null landen, und erst 2017 und 2018 leichte Mehreinnahmen haben.

 

Die Gründe für den relativen Geldsegen liegen im soliden Wirtschaftswachsstum, der hohen Zahl von Arbeitskräften und der leicht sinkenden Erwerbslosigkeit. Wenn Firmen und Bürger leidlich verdienen, zahlen sie mehr Steuern als bei Flaute.

 

Sind deshalb Mittel für zusätzliche Ausgaben vorhanden? „Die Steuerschätzung eröffnet uns keine neuen finanziellen Spielräume“, sagte Schäuble. Seine Warnung vor zusätzlichen Ausgaben ist vor allem eine Reaktion auf die Debatte über eine Steuersenkung.

 

Dabei geht es gegenwärtig vor allem um die Minderung der sogenannten kalten Progression. Darunter versteht man automatische Steuererhöhungen, die die nachteilige Wirkung der Inflation nicht berücksichtigen. Ein Beispiel: Steigt der Lohn von Arbeitnehmern um zwei Prozent, wächst ihre Steuerbelastung ebenfalls leicht. Nun zehrt aber die Preissteigerung einen Teil des Lohnzuwachses wieder auf. Trotzdem zahlen die Bürger unter dem Strich etwas mehr Steuern, obwohl ihre Kaufkraft nicht in gleichem Maße gestiegen ist. Alleine dieser Effekt bringt dem Staat Jahr für Jahr jeweils 2,5 Milliarden Euro mehr ein.

 

Die Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände forderte am Donnerstag deshalb, die Zusatzeinnahmen auch für die Verringerung der Progression zu verwenden. Die Union plädiert schon länger dafür, den Steuertarif zu senken. Eine Einigung mit der SPD in der großen Koalition war aber nicht möglich, weil die Sozialdemokraten im Gegenzug Abgaben für Wohlhabende erhöhen wollten. Nun denkt Schäuble einem Bericht des Spiegel zufolge über einen neuen Versuch nach: Möglicherweise wird er vorschlagen, den Effekt der kalten Progression einmalig auszusetzen – allerdings erst 2016, ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl.

 

Dazu könnte ihn auch die Meinungsänderung an der SPD-Spitze ermuntern. Neuerdings können sich Vizekanzler Sigmar Gabriel und sein Fraktionschef Thomas Oppermann vorstellen, die Minderung der Steuerprogression in dieser Legislaturperiode aus Überschüssen zu finanzieren – ohne Kopplung an Steuererhöhungen an anderer Stelle.

 

Eine gemeinsame Linie gibt es jedoch bisher nicht. CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle erklärte, dass der ausgeglichene Bundeshaushalt ohne neue Schulden im Vordergrund stünde. Und Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) warnte, das Einnahmeplus sei nicht hoch genug, um gleichzeitig Schulden abzubauen, Steuern zu senken, „Straßen zu sanieren und die Bildung zu verbessern“.

 

Damit wies Walter-Borjans auf einen Aspekt hin, der in der Steuerdebatte oft untergeht. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) verschleisst die öffentliche Infrastruktur. Es fehlten Dutzende Milliarden Euro Investitionen jährlich, sagen die Ökonomen. Eine wesentliche Erhöhung der Investitionsquote in seinem Haushalt – bisher beträgt sie weniger als zehn Prozent der Ausgaben – plant Schäuble jedoch nicht.

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