Staat kauft dritte CD mit Steuerhinterzieher-Daten

Niedersachsen und der Bund erwerben die vermutlich illegal beschafften Informationen. Rund 20.000 Steuerflüchtige haben sich mittlerweile selbst angezeigt. 1,5 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen für den Staat

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Von Hannes Koch

09. Jun. 2010 –

Die Luft für Steuerhinterzieher wird dünner. Bereits zum dritten Mal haben deutsche Behörden eine CD gekauft, die Namen, Kontonummern und andere Daten von potenziellen Steuerhinterziehern enthält. Gemeinsam mit dem Land Niedersachsen habe man die Datensammlung erworben, erklärte am Mittwoch eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums.


Auf der Scheibe sollen sich rund 20.000 Datensätze finden, die etwa 3.000 Bundesbürgern zugeordnet werden können. Es besteht der Verdacht, dass diese Wohlhabenden und Reichen große Summen Kapitals bei Schweizer Banken versteckten, ohne die Erträge in Deutschland zu versteuern. Ein in der Öffentlichkeit unbekannter Informant hat die Daten vermutlich gestohlen und den deutschen Behörden gegen Honorar zum Kauf angeboten.


Die Verhandlungen über den Kauf zogen sich seit Februar diesen Jahres hin. Ursprünglich wollte der Anbieter sein Geschäft mit dem Land Baden-Württemberg abwickeln. Auf Betreiben der FDP lehnte die Stuttgarter Landesregierung allerdings ab. Deshalb musste sich das Bundesfinanzministerium ein anderes Bundesland suchen. Niedersachsen zieht nun mit. Die Steuerverwaltung liegt überwiegend in den Händen der Länder.


Alle Bundesländer werden nun von der Auswertung der Daten profitieren. Die baden-württembergischen Finanzämter kümmern sich um die Steuerhinterzieher im Südwesten. „Ich habe keine Bedenken, auf die Daten zurückzugreifen“, sagte Baden-Württembergs Finanzminister Willi Stächele (CDU) gegenüber den Stuttgarter Nachrichten.


Zwei weitere CDs mit Daten von potenziellen Steuerhinterziehern hatten die Behörden bereits früher gekauft. Die erste Scheibe kostete Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel seinen Job. Er hatte ein paar Millionen Euro in Stiftungen des Fürstentums Liechtenstein versteckt. Die Verhandlungen über den Kauf der zweiten CD durch das Land NRW lösten eine Flut von Selbstanzeigen vermögender Bundesbürger bei den Finanzämtern aus. Außerdem wurde dem Land Bayern unlängst eine weitere CD angeboten, die aber noch nicht im Besitz des Staates ist.


Verängstigt durch die öffentliche Debatte über die CDs haben mittlerweile über 20.000 Bundesbürger Selbstanzeige erstattet. Baden-Württemberg hat etwa 5.700 Fälle registriert, NRW knapp 3.500. In Bayern und Hessen sind es jeweils rund 3.000. Die Selbstanzeiger entgehen damit in vielen Fällen einer Strafe für Steuerhinterziehung, müssen aber hohe Summen nachzahlen. Die durchschnittliche Nachzahlung pro Kopf schätzt Dieter Ondracek auf rund 70.000 Euro. Der Chef der Gewerkschaft der Steuerbeamten vermutet, dass die Finanzämter zusätzlich rund 1,5 Milliarden Euro einnehmen.


Diese Summe lässt Rückschlüsse auf den Umfang der Steuerhinterziehung zu. Da die Nachzahlungen etwa 30 Prozent der gesamten zu versteuernden Kapitalerträge ausmachen, dürften diese bei etwa fünf Milliarden Euro liegen. Nimmt man weiter an, dass die Gewinne etwa fünf Prozent des ins Ausland geschafften Geldes betragen, so geht es insgesamt um 100 Milliarden Euro hinterzogenen Kapitals alleine in der Schweiz.


Die Fraktionen von Union und FDP haben die Bundesregierung währenddessen aufgefordert, die Strafbefreiung bei Selbstanzeige restriktiver zu handhaben. Die eigentlich fällige Strafe solle nur dann erlassen werden, wenn der jeweilige Steuerhinterzieher dem Finanzamt „allumfassende“ Informationen gebe. Häppchenweise Auskunft über das hinterzogenes Kapital dürften nicht mehr zur Straffreiheit führen, heißt es im Antrag der Koalition. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat verlangt, die Straffreiheit komplett abzuschaffen.

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