Städte vor dem Kollaps

Kommunen verlieren durch die Krise Milliardeneinnahmen

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Von Wolfgang Mulke

02. Feb. 2010 –

Die Kommunen leiden immer stärker unter den Folgen der Krise. „Ein Teil der Städte steht vor dem Kollaps und droht handlungsunfähig zu werden“, warnt die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth. 2010 rechnen die Stadtkämmerer mit einem Defizit von zwölf Milliarden Euro. Auch in den beiden Folgejahren werde ein zweistelliger Milliardenbetrag fehlen, schätzt der Verband.

 

Besonders betroffen sind wirtschaftlich schwache Regionen, deren Städte schon in vergangenen Jahren vor allem auf Pump am Leben gehalten wurden. Besonders düster sieht es in Nordrhein-Westfalen, Rheinland Pfalz und dem Saarland aus. „Da sind die Städte, wo die Handlungsfähigkeit bedroht ist“, sagt die Finanzexpertin des Verbands, Monika Kuban. Mit dem Rotstift und einem teilweise kräftigen Personalabbau wollen viele Kommunen das schlimmste verhindern. Die Bürger dort müssen sich auf starke Einschränkungen einstellen. Das finanzschwache Duisburg streicht zum Beispiel 680 Stellen und erhöht die Eintrittspreise für Schwimmbäder, Konzerte und Theater. Stuttgart weitet die Parkraumbewirtschaftung aus und streicht teilweise die Zuschüsse für die Verbraucherzentrale. Wuppertal spart bei Sozial- Jugend- und Kulturprojekten Millionen ein und schließt fünf Schwimmbäder. Frankfurts Einwohner müssen sich auf höhere Müllgebühren einstellen, Erlangen, Karlsruhe und Ludwigshafen heben die Grundsteuer an. Insgesamt werden sich die Gebührenerhöhungen laut Roth allerdings in Grenzen halten. Gespart wird vor allem beim Personal. Frei werdende Stellen werden oft nicht wieder besetzt.

 

Nach Angaben des Städtetags stecken die Kommunen in einem Schraubstock aus steigenden Kosten und sinkenden Einnahmen. So macht die die Wirtschaftskrise stark im Stadtsäckel bemerkbar. Die wichtigen Gewerbesteuereinnahmen sind im vergangenen Jahr regelrecht eingebrochen. Das Aufkommen ging um über 17 Prozent zurück. In vielen größeren Städten sieht es deutlich schlechter aus. Wolfsburg verzeichnete beispielsweise ein Minus von 43 Prozent, Stuttgart und Frankfurt büßten ein Viertel ihrer Einnahmen ein. Aber auch kleinere Kommunen sind betroffen. Das sächsische Plauen nahm ein Drittel weniger Steuern ein als 2008. Dennoch will der Städtetag an der schwankungsanfälligen Gewerbesteuer festhalten.

 

Während auf der einen Seite die Steuern nur spärlich fließen, wachsen auf der anderen die Ausgaben rasant an. Vor allem die Sozialausgaben entwickeln sich bedrohlich. 2009 überstiegen sie erstmals die Marke von 40 Milliarden Euro. Damit haben sich die Kosten für die Kinderbetreuung, die Wohnungen der Hartz-IV-Empfänger oder die Grundsicherung im Alter seit der Wiedervereinigung vor zwanzig Jahren verdoppelt. In diesem Jahr rechnet der Städtetag mit einem weiteren Anstieg um zwei Milliarden Euro.

 

Die zunehmende Arbeitslosigkeit ist ein Grund für den erwarteten Anstieg. Eine andere Ursache ist nach Ansicht der Städte die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die Bundesregierung habe immer mehr Aufgaben auf die Städte abgewälzt, sich aber nicht ausreichend um deren Finanzierung gekümmert, kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Stephan Articus. „Bund und Länder verschätzen sich grundsätzlich zu ihren Gunsten und zu unseren Lasten“, sagt er.

 

An Beispielen für die einseitige Lastenverteilung mangelt es nicht. So steigen die Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose in diesem Jahr vermutlich um eine Milliarde Euro an. Der Bund will sich an den Mehrkosten nicht beteiligten, hat diese Last bei der Einführung vn Hartz IV aber an die Kommunen delegiert. Auch bei dem vom Bundestag beschlossenen Betreuungsangebot für Kleinkinder fahren die Städte und Gemeinden schlecht. Kalkuliert wurden die Zuschüsse dafür mit einer Betreuungsquote von 35 Prozent. Also sollen die Kommunen für jedes dritte Kind einen Kita-Platz bereitstellen. „In großen Städte benötigen wir 50 Prozent“, berichtet Roth, „da sollte sich der Bund korrigieren.“ Das heißt, die Städte wollen mehr Geld für den Aufbau der Betreuungsplätze. Noch vor Ostern will der Städtetag mit den zuständigen Ministern in Berlin darüber sprechen, wie die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen erhalten werden kann.

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