Steuerflucht staatlicher Entwicklungsexperten am Ende

Jahrelang haben die Auslandsmitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit keine Steuern gezahlt. Damit ist jetzt Schluss.

Teilen!

Von Hanna Gersmann

29. Dez. 2013 –

Eins vorweg: Der Arbeitsvertrag wurde nicht verändert. Die Arbeitszeit auch nicht. Doch das verfügbare Einkommen, das Ende Januar diesen Jahres auf dem Konto landet, ist im Vergleich zum Monat davor um 20 bis 30 Prozent geschrumpft - es ist einmalig, was manche Entwicklungsexperten, die für Deutschland ins Ausland gehen, im neuen Jahr erleben. Dahinter steckt eine Geschichte erstaunlicher Privilegien und fehlender Steuergerechtigkeit.

 

Betroffen sind knapp 2000 Auslandsmitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, kurz: Giz, dem größten Träger der Entwicklungshilfe hierzulande. Sie arbeiten alle im Ausland, oft haben auch die Partner den Job aufgegeben und sind mitgegangen. Sie wurden mit üppigen Gehältern geködert.

Der Tarifbereich bei der Giz geht bis über 100.000 Euro pro Jahr. Außertariflich geht es weiter bis 160.000 Euro. Zudem kalkulierten die Entwicklungsexperten mit ein, dass sie nirgends Steuern zahlen, hier nicht und dort auch nicht. Nur: Damit ist ab dem 1. Januar Schluss.

Die Giz steht unter Druck. Ihr Auftrag ist es unter anderem, Länder beim Aufbau gerechter Steuersysteme zu beraten. Nun muss sie sich gegen den Vorwurf wehren, ihre Mitarbeiter zur Steuerhinterziehung angestiftet zu haben.

Ihre Vorgängerorganisation GTZ hat den ins Ausland geschickten Kollegen geraten, ihren Wohnsitz in Deutschland für die Dauer des Aufenthaltes in der Ferne aufzugeben. Der Effekt: Die Gastländer durften aufgrund sogenannter Doppelbesteuerungsabkommen oft keine Abgaben von den Helfern kassieren. Und in Deutschland blieben sie ohne hiesigen Wohnsitz ebenso vom Fiskus verschont. Die Giz führte keine Lohnsteuer ab.

Die Finanzämter haben die Praxis jahrelang mit getragen. Doch dann erging vor knapp zwei Jahren ein Urteil am Finanzgericht Düsseldorf. Dort wehrte sich ein Giz-Mann gegen das Finanzamt. Dieses wollte die Bezüge von mehr als 100.000 Euro aus einem zehnmonatigen Einsatz in Kasachstan in den Progressionsvorbehalt ziehen. Der Steuersatz für das deutsche Einkommen stieg.

Die Richter erklärten dann jedoch, dass die gesamten Einkünfte in Deutschland zu besteuern sein. Die Begründung lautete grob: Nach dem sogenannten Kassenstaatsprinzip fielen Gehälter aus öffentlichen Kassen unabhängig vom Wohnsitz unter die Steuerpflicht in Deutschland. Die Giz ist zwar privatwirtschaftlich organisiert, das Geld kommt aber vom Staat.

Der Giz-Mann legte mit Unterstützung der Giz zunächst Revision vor dem Bundesfinanzhof ein, zog dann aber auf Rat der Giz-Juristen zurück. So kam es nicht zum Präzedenzfall.

Dietmar Gosch, der Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, schrieb dafür in einem Fachaufsatz die „Keinmalbesteuerung“ der Giz-Mitarbeiter sei nicht zu rechtfertigen.

55 Mitarbeiter der Giz bekamen dann von den Finanzämtern Post – mit hohen Nachforderungen. Wer mit Leuten von der Giz spricht, hört Sätze wie „62 Jahre alt, 180.000 Euro soll er zahlen.“

Allerdings hat sich das Bundesministerium der Finanzen am 5. Dezember diesen Jahres an das Bundesentwicklungsministerium gewandt. In dem Schreiben heißt es, dass die Rechtslage im großen und ganzen erst auf „nach dem 31. Dezember 2013 beginnende Besteuerungszeiträume“ angewendet wird. Nur wenige Fälle bleiben noch strittig. Es ist eine Art Stillhalteabkommen für die Vergangenheit.

Dafür wird die Zukunft anders. „Einbehalt und die Abführung von Lohnsteuer für die entsandten Giz-Mitarbeiter spätestens für den ersten Lohnzahlungszeitraum 2014“ seien sicherzustellen, schreibt das Finanzministerium. Die Giz will sich dazu nicht äußern. Genaue Zahlen nennt niemand.

„Ich mache Dienst nach Vorschrift“, „Ich gehe zurück in die Zentrale.“ Oder: „Ich suche mir einen neuen Arbeitgeber“. So reden die Auslandsleute derzeit, die weniger Geld sehen werden. Mit Frust.

Ein deutscher Botschafter im Ausland zahlt Steuern, bekommt aber üppigere Zulagen als der Giz-Mitarbeiter. Gehälter runter, Pauschalen hoch – das wäre aus Sicht mancher Mitarbeiter durchaus eine Lösung. Die Gewerkschaft Verdi verhandelt derzeit.

Verdi-Mann Tobias Schürmann sagt zu den Details wenig, meint aber: „Nicht die Steuerpflicht als solche ist bedenklich, wohl aber die plötzliche Belastung“ der Beschäftigten. Mindestens müssten die vereinnahmten Steuern der GIZ zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.

 

Kasten: Gefährlicher Einsatz

Wer von der Regierung ins Ausland geschickt wird, wird oft um den Job beneidet: auf Staatskosten die Welt kennenlernen, dabei gut verdienen. Der Einsatz kann aber auch lebensgefährlich sein. Erst vor wenigen Wochen wurden bei einem Terrorangriff auf das jemenitische Verteidigungsministerium in Sanaa zwei deutsche Entwicklungshelfer und ihr Fahrer getötet worden. Und in Afghanistan steht der Abzug der Bundeswehr an. Union und SPD erklären im Koalitionsvertrag, die zivile Hilfe dort ausbauen zu wollen.

« Zurück | Nachrichten »