Streiken wird für Berufsgewerkschaften erschwert

Bundesregierung beschließt Tarifeinheitsgesetz. Künftig gilt der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern. Das Gesetz wird wohl vor dem Verfassungsgericht landen.

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Von Wolfgang Mulke

11. Dez. 2014 –

Die Bundesregierung hat das Tarifeinheitsgesetz beschlossen. Künftig sollen in den Betrieben nur noch die Tarifverträge mit den Gewerkschaften gelten, die am meisten Mitglieder haben. Nur wenn sich konkurrierende Arbeitnehmervertretungen mit den Arbeitgebern auf andere Verfahren einigen, kann es noch mehrere Tarifverträge geben. „Wir wollen Kollisionen vermeiden, auflösen und Kooperationen stärken“, begründet Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) die Regelung. Das Ziel sind einheitliche Abschlüsse für alle Beschäftigten. Mächtige Berufsgruppen wie die Lokführer, Piloten oder Ärzte sollen nicht mehr ohne Rücksicht auf den Rest der Belegschaft ihre Interessen durchsetzen können.

 

Für die vergleichsweise kleine Berufsgewerkschaften bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung ihrer Macht. Insbesondere die Ärztevertretung Marburger Bund und die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) könnten weitgehend entmachtet werden, wenn das Gesetz vom Bundestag verabschiedet wird. Auf die laufenden Tarifverhandlungen, zum Beispiel bei der Bahn, hat die Änderung keine Auswirkungen. Frühestens im nächsten Sommer wird es in Kraft treten.

 

„Das Streikrecht wird hier nicht berührt“, betont Nahles. Doch ein Blick in den Gesetzestext zeigt das Gegenteil. „Über die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen wird im Einzelfall im Sinne der Tarifeinheit zu entscheiden sein“, heißt es darin. Und ein Streik einer kleineren Gewerkschaft, die aufgrund der geringeren Mitgliederzahl gar keinen Tarifvertrag abschließen kann, verlöre seine ordnende Funktion, lautet die Passage vereinfacht gesagt weiter. Damit wäre er unverhältnismäßig. In der Praxis wird das Streikrecht für die Spartengewerkschaft auf diese Weise zumindest teilweise ausgehebelt.

 

Entsprechend harsch fällt die Reaktion des Marburger Bundes aus. „Nicht nur die 115.000 Mitglieder des Marburger Bundes, sondern Hunderttausende von Arbeitnehmern in anderen Gewerkschaften werden diese Entscheidung als Angriff auf ihre grundgesetzlich verbrieften Rechte verstehen“, kritisiert die Ärztevertretung. Der Bundestag müsse das Gesetz wieder verschwinden lassen. Schon im Vorfeld hat die Gewerkschaft eine Klage beim Bundesverfassungsgericht angekündigt, falls die Tarifeinheit vorgeschrieben wird.

 

Ganz anders sieht die große IG Metall den Regierungsbeschluss. „Mit dem Mehrheitsprinzip ist geklärt, das eine solidarische Tarifpolitik für alle Beschäftigtengruppen Vorrang vor Partikularinteressen hat“, sagt der Chef der Metaller, Detlef Wetzel. Der Gewerkschafter sieht das Streikrecht nicht als gefährdet an. Denn das ist je nur im Konfliktfall praktisch eingeschränkt, und das nur für die Kleinen.

 

Auf die Arbeitsgerichte kommt mit dem Gesetz eine weitere Aufgabe zu. Im Streitfall müssen sie feststellen, welche Gewerkschaft in einem Betrieb die Mehrheit der Mitglieder stellt. Dieses Verfahren gehört zu den Unwägbarkeiten des Vorhabens. Denn niemand darf einen Arbeitnehmer zwingen, seine Gewerkschaftszugehörigkeit preiszugeben. Das wird vermutlich auch einer der Einwände sein, mit denen die Berufsgewerkschaften gegen das Gesetz vorgehen werden.

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