Streiks bei der Bahn sind vorerst unwahrscheinlich

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Tarifverhandlungen bei der Bahn

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Von Wolfgang Mulke

29. Jul. 2010 –

Wird bei den Bahnen in den Ferien gestreikt?

In den kommenden Wochen wird es wahrscheinlich keine Warnstreiks geben.
Denn diese Tarifrunde wird lange dauern und noch gibt es auf allen Seiten
Anzeichen für eine Kompromissbereitschaft. Mit Streiks ist erst zu rechnen,
wenn sich die Fronten verhärten.

Worum geht es bei den Tarifverhandlungen?

Verhandelt werden drei unterschiedliche Themen. Erstens geht es um mehr
Geld für rund 165.000 Beschäftigte. Die Lokführergewerkschaft GdL verlangt
fünf Prozent höhere Entgelte, die Tarifgemeinschaft der beiden großen
Bahngewerkschaften Transnet und GDBA fordern sechs Prozent. Die Arbeitgeber
haben ihrerseits noch kein Angebot vorgelegt.
Gleichzeitig streben die Tarifparteien flächendeckende Mindestbedingungen
bei den Einkommen der Bahner an. Denn die Lohnunterschiede zwischen den
privaten Bahngesellschaften und der Deutschen Bahn betragen im
Nahverkehr bis zu 30 Prozent. Selbst innerhalb des Konzerns gibt es sehr
unterschiedliche Lohnniveaus, denn die Bahn hat Regionalgesellschaften
gegründet, in denen schlechter bezahlt wird als im Mutterhaus. So will sich
der Riese im Wettbewerb behaupten. Schließlich geht es auch noch um eine
Fortführung des Ende 2010 auslaufenden Beschäftigungspakts bei der
Deutschen Bahn. Darüber wird aber erst gesprochen, wenn die anderen Themen
erledigt sind.

Wer hat Schuld an der Lohndrückerei?

Die Wettbewerbssituation im Nahverkehr hat zu einem enormen Preisdruck
geführt. Kommunen oder Länder schreiben Zugverbindungen aus und entscheiden
sich in der Regel für das billigste Angebot. Soziale Standards spielen
dabei eine untergeordnete Rolle. Diesen Druck geben die Bahnunternehmen an
ihre Beschäftigten weiter. Die Deutsche Bahn selbst konnte mit ihren
vergleichsweise hohen Personalkosten bei Ausschreibungen oft nicht mehr
mithalten. Über neu gegründeten Tochterunternehmen mit geringeren Löhnen
hat sie den Anschluss wieder gefunden. Aus der Abwärtsspirale bei den
Preisen für den Nahverkehr wollen alle Unternehmen aber gerne herauskommen.
Einfach ist das allerdings nicht.

Was macht die Verhandlungen kompliziert?

Die großen Gewerkschaften bestehen darauf, die Lohnerhöhungen zusammen mit
dem angestrebten Branchentarifvertrag für den Nahverkehr auszuhandeln.
Würde man sich bei den Entgelten einig, begänne anschließend eine
Friedenspflicht. Dann wären Streiks für den Branchentarif nicht mehr
erlaubt. Die GdL besteht auf einem Flächentarifvertrag nur für Lokführer,
der neben dem Nahverkehr auch alle anderen Bahnsparten umfassen soll.
Leicht ist die Lage auch auf der anderen Seite nicht gerade. Es gibt drei
Arbeitgeberverbände und die fünf großen Privatbahnen sitzen höchstselbst
mit am Verhandlungstisch. Deshalb rechnen alle Beteiligten erst zum Ende
des Jahres mit einer Einigung.


Werden sich die privaten Konkurrenten der Deutschen Bahn darauf einlassen?

Es gibt zumindest Anzeichen dafür. Denn am Mittwoch haben sich die
Vertreter der Nahverkehrsunternehmen mit den großen Gewerkschaften auf
ernsthafte Verhandlungen über einen Branchentarifvertrag geeinigt, der auf
Mindestlöhne bei den Schienenunternehmen hinaus laufen würde. Die
Privatbahnen wollen den Wettbewerb über bessere Leistungen gewinnen. Die
Lohnkosten seien nicht der einzige Faktor, betont der Sprecher des
Unternehmens BeNex, das mitverhandelt. Auch die Deutsche Bahn will
mitspielen. Im Weg stehen noch knifflige Probleme. Die Privatbahnen wollen
zum Beispiel regional unterschiedliche Mindestentgelte durchsetzen, das
Personal also im Osten zum Beispiel schlechter bezahlen als im Süden. Auch
müssen Übergangslösungen gefunden werden. Denn die laufenden
Verkehrsverträge basieren auf Kalkulationen, die von niedrigen Löhnen
ausgehen.

Wie geht es weiter?

Am 20. August gehen die Verhandlungen in die nächste unde. Wie viele
Termine bis zu einer Einigung notwendig sein werden, vermag derzeit keiner
der Teilnehmer abzuschätzen.





 




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